Andrang auf “Herr-der-Ringe”-Archiv
an katholischer Universität
Die katholische Universität Eichstätt in Bayern
beherbergt einen ungewöhnlichen Schatz: In der Bibliothek der Uni ist eines
der weltweit größten Archive über Fantasy-Autor J.R. Tolkien (“Der Herr
der Ringe”) zu finden.
In der bayerischen Kleinstadt Eichstätt versteckt sich
ein Einfallstor zur Nebenwelt aus dem Fantasy-Roman "Der Herr der
Ringe": Die Bibliothek der Katholischen Universität beherbergt rund
1.100 Bücher von und über Autor John Ronald Reuel Tolkien (1892 1973),
dazu kistenweise unveröffentlichtes Material.
Vieles muss erst ausgewertet werden
"Die Sammlung zählt zu den größten
Tolkien-Archiven der Welt", sagt Bibliotheks-Direktor Hermann
Holzbauer. Ein dicker Katalog informiert darüber, was in der
Handschriftenabteilung auf weitere wissenschaftliche Auswertung wartet:
Fachzeitschriften und Fanmagazine aus aller Welt, Noten für
"fantastische" Gesänge sowie Zeichnungen über Statur und Figur
der "Mittelerde"-Bewohner. In den großen roten Pappkartons liegen
zudem Briefe des Aachener Fantasy-Forschers Gisbert Kranz an Tolkiens
Tochter und dessen Sohn.
“Tintenkleckser” unter sich
Das Leben des Philologen Tolkien wird häufig
skizziert: 1892 in Südafrika geboren, früh verwaist, Philologie-Studium,
Offizier im Ersten Weltkrieg, anschließend Professor für altenglische und
germanische Sprachen in Oxford. In den dreißiger und vierziger Jahren traf
sich Tolkien regelmäßig mit Universitäts-Kollegen zu Kamingesprächen.
Die Wissenschaftler lasen eigene Fantasy-Geschichten vor und kritisierten
einander schonungslos. Die Gruppe nannte sich "Inklings", was
"Tintenkleckser" bedeutet, aber auch "Ahnungen". Zu den
Autoren, die ihre Ahnungen einer Nebenwelt zu Papier brachten, zählten etwa
Clive S. Lewis, Charles Williams und Gilbert K. Chesterton.
Tolkien beherrschte neun Sprachen
Die Eichstätter Bibliothek hält zu
den Inklings-Autoren rund 4.000 Titel bereit, wie Holzbauer erläutert. In
den Kisten mit losen Blättern entdeckt man zudem vergilbte Notizzettel, auf
die Chesterton mit Bleistift Teile einer Geschichte kritzelte. Über Tolkien
steht zu lesen, dass seine Karriere als Romanautor zufällig begann. Die
Legende will, dass der Professor eines Nachts, als er Examensarbeiten
korrigierte, plötzlich die Worte niederschrieb: "In einer Höhle in
der Erde, da lebte ein Hobbit." Jahrelang habe er an der Geschichte
nicht weiter gearbeitet, dann jede Nacht geschrieben, bis er mit dem Roman
schließlich 1937 einen Bestseller veröffentlichte. Von den kleinwüchsigen,
großherzigen Hobbits zu erzählen, dürfte Tolkien nicht schwer gefallen
sein. "Ich bin selbst ein Hobbit", notierte er, "in allem bis
auf die Größe." Er liebe Gärten, reise nicht viel, habe einen
einfachen Humor. Und wie die Winzlinge trug der Autor gern dekorative Westen
und verabscheute die französische Küche. Neben der Liebe zum Landleben
pflegte Tolkien eine weitere Leidenschaft. Der Professor beherrschte neun
Sprachen, darunter Isländisch und Altnordisch. Für "Mittelerde"
erfand er eine Kunstsprache. In "Elbisch" übten sich später
Tolkien-Forscher, wie im Eichstätter Archiv zu sehen ist. Mit schwungvollen
Schnörkeln und feinen Querstrichen wirkt die Schrift wie eine Kreuzung aus
arabischen und asiatischen Zeichen.
Eichstätt vergibt Forschungs-Stipendium
Seit der
Film "Der Herr der Ringe" Tolkien-Fans in die Kinos zieht, steuern
deutlich mehr Besucher das Eichstätter Archiv an. Die meisten Forscher sind
Anglisten, Theologen oder Psychologen. Derzeit nutzten zehn Wissenschafter
die Sammlung für größere Arbeiten. Die Universität kann sogar ein
Forschungs-Stipendium vergeben. Themen rund um Tolkien gibt es genug:
Sprache, Stil oder das Umfeld der christlichen Inklings-Autoren. Welche
Verantwortung auf Hobbit Frodo lastet, weil er einen Macht verleihenden Ring
besitzt, ist ebenfalls bereits wissenschaftlich analysiert. Ein Atlas von
"Mittelerde" und Tipps aus einem "Reiseführer" helfen
beim Trip in die Nebenwelt, ein Quizbuch komplettiert die
Reisevorbereitungen. Und was man nicht über "Mittelerde" weiß, lässt
sich vor dem Aufbruch noch schnell im Eichstätter Archiv nachschlagen.
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