News 08.  03. 2002

Andrang auf  “Herr-der-Ringe”-Archiv an katholischer Universität

Die katholische Universität Eichstätt in Bayern beherbergt einen ungewöhnlichen Schatz: In der Bibliothek der Uni ist eines der weltweit größten Archive über Fantasy-Autor J.R. Tolkien (“Der Herr der Ringe”) zu finden.

In der bayerischen Kleinstadt Eichstätt versteckt sich ein Einfallstor zur Nebenwelt aus dem Fantasy-Roman "Der Herr der Ringe": Die Bibliothek der Katholischen Universität beherbergt rund 1.100 Bücher von und über Autor John Ronald Reuel Tolkien (1892 1973), dazu kistenweise unveröffentlichtes Material.

Vieles muss erst ausgewertet werden

"Die Sammlung zählt zu den größten Tolkien-Archiven der Welt", sagt Bibliotheks-Direktor Hermann Holzbauer. Ein dicker Katalog informiert darüber, was in der Handschriftenabteilung auf weitere wissenschaftliche Auswertung wartet: Fachzeitschriften und Fanmagazine aus aller Welt, Noten für "fantastische" Gesänge sowie Zeichnungen über Statur und Figur der "Mittelerde"-Bewohner. In den großen roten Pappkartons liegen zudem Briefe des Aachener Fantasy-Forschers Gisbert Kranz an Tolkiens Tochter und dessen Sohn.

“Tintenkleckser” unter sich

Das Leben des Philologen Tolkien wird häufig skizziert: 1892 in Südafrika geboren, früh verwaist, Philologie-Studium, Offizier im Ersten Weltkrieg, anschließend Professor für altenglische und germanische Sprachen in Oxford. In den dreißiger und vierziger Jahren traf sich Tolkien regelmäßig mit Universitäts-Kollegen zu Kamingesprächen. Die Wissenschaftler lasen eigene Fantasy-Geschichten vor und kritisierten einander schonungslos. Die Gruppe nannte sich "Inklings", was "Tintenkleckser" bedeutet, aber auch "Ahnungen". Zu den Autoren, die ihre Ahnungen einer Nebenwelt zu Papier brachten, zählten etwa Clive S. Lewis, Charles Williams und Gilbert K. Chesterton.

Tolkien beherrschte neun Sprachen

Die Eichstätter Bibliothek hält zu den Inklings-Autoren rund 4.000 Titel bereit, wie Holzbauer erläutert. In den Kisten mit losen Blättern entdeckt man zudem vergilbte Notizzettel, auf die Chesterton mit Bleistift Teile einer Geschichte kritzelte. Über Tolkien steht zu lesen, dass seine Karriere als Romanautor zufällig begann. Die Legende will, dass der Professor eines Nachts, als er Examensarbeiten korrigierte, plötzlich die Worte niederschrieb: "In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit." Jahrelang habe er an der Geschichte nicht weiter gearbeitet, dann jede Nacht geschrieben, bis er mit dem Roman schließlich 1937 einen Bestseller veröffentlichte. Von den kleinwüchsigen, großherzigen Hobbits zu erzählen, dürfte Tolkien nicht schwer gefallen sein. "Ich bin selbst ein Hobbit", notierte er, "in allem bis auf die Größe." Er liebe Gärten, reise nicht viel, habe einen einfachen Humor. Und wie die Winzlinge trug der Autor gern dekorative Westen und verabscheute die französische Küche. Neben der Liebe zum Landleben pflegte Tolkien eine weitere Leidenschaft. Der Professor beherrschte neun Sprachen, darunter Isländisch und Altnordisch. Für "Mittelerde" erfand er eine Kunstsprache. In "Elbisch" übten sich später Tolkien-Forscher, wie im Eichstätter Archiv zu sehen ist. Mit schwungvollen Schnörkeln und feinen Querstrichen wirkt die Schrift wie eine Kreuzung aus arabischen und asiatischen Zeichen.

Eichstätt vergibt Forschungs-Stipendium

Seit der Film "Der Herr der Ringe" Tolkien-Fans in die Kinos zieht, steuern deutlich mehr Besucher das Eichstätter Archiv an. Die meisten Forscher sind Anglisten, Theologen oder Psychologen. Derzeit nutzten zehn Wissenschafter die Sammlung für größere Arbeiten. Die Universität kann sogar ein Forschungs-Stipendium vergeben. Themen rund um Tolkien gibt es genug: Sprache, Stil oder das Umfeld der christlichen Inklings-Autoren. Welche Verantwortung auf Hobbit Frodo lastet, weil er einen Macht verleihenden Ring besitzt, ist ebenfalls bereits wissenschaftlich analysiert. Ein Atlas von "Mittelerde" und Tipps aus einem "Reiseführer" helfen beim Trip in die Nebenwelt, ein Quizbuch komplettiert die Reisevorbereitungen. Und was man nicht über "Mittelerde" weiß, lässt sich vor dem Aufbruch noch schnell im Eichstätter Archiv nachschlagen.
 

 

 
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