News 26.  03. 2002

Frankreich: "Renaissance" des Religionsunterrichts ?

Was seit der Trennung von Kirche und Staat in Frankreich 1905 undenkbar schien, wird jetzt infolge des 11. September vorsichtig angedacht: die Wiedereinführung des Religionsunterrichts.

 

Von Carola Schneider / ORF Paris

 

Im streng laizistischen Frankreich war Religionsunterricht seit 1905 undenkbar. Jetzt denkt der sozialistische Unterrichtsminister Jack Lang zumindest darüber nach: Zwar soll es keine eigenes Unterrichtsfach geben – aber fächerübergreifend soll wieder über Entstehung und Wesen der verschiedenen Religionen informiert werden. Der Anlass dafür: die Terrorakte des 11. September.

Was ist "Dreifaltigkeit" ?

Es gibt kaum eine Ecke in Paris, an der man nicht auf eine Bezeichnung religiöser Herkunft stößt: etwa die Tempelstrasse im jüdischen Viertel, oder die Metrostation "Dreifaltigkeit" nahe Montmartre. Doch die laizistisch erzogenen Kinder in den öffentlichen Schulen können damit wenig anfangen. So meint ein Schüler: "Dreifaltigkeit, also, ich weiss nicht, was das bedeutet. Ich habe zwar schon von Vater, Sohn und Heiligem Geist gehört, aber von Dreifaltigkeit nicht."

Islam mit Terror gleichgesetzt

Kein Wunder, sind doch religiöse Themen und Symbole längst aus Frankreichs Klassenzimmern verschwunden. Besonders die Diskussionen, die nach den Attentaten vom 11. September in Frankreich besonders heftig geführt wurden –immerhin leben hier zwischen 4 und 5 Millionen Muslime – haben große Informationslücken aufgezeigt. Während die einen Gefahr laufen, Islam mit Terrorismus gleichzusetzen, gestehen andere offen ein, einfach zu wenig über Religionen zu wissen.

Wissenslücken

Diese Lücken will der sozialistische Unterrichtsminister Jack Lang nun schliessen. Er stützt sich auf den Bericht des Philosophen Régis Debray, wonach das Unwissen über Religionen Intoleranz und Missverständnisse fördert. Deshalb, so Jack Lang, soll in den öffentlichen Schulen- von der Volksschule bis hin zum Gymnasium- Religion wieder eine Rolle spielen.

Fächerübergreifend

Weil ein religiös gefärbter Unterricht allerdings den Prinzipien der laizistischen Republik widersprechen würde, geht es mehr um eine Information über die Religionen- also etwa die Geschichte und die geographische Verbreitung von Christentum, Judaismus und Islam.

Kein eigenes Schulfach

Auch soll nicht ein eigenes Fach Religion geschaffen werden, sondern die Information fächerübergreifend, also etwa in Geschichte, Philosophie, und im Fremdsprachenunterricht aufgegriffen werden. Zudem will Lang ein Europäisches Institut der Religions- wissenschaften gründen, in dem die Forschungsarbeiten auf dem Gebiet Religion koordiniert werden sollen.

Umsetzung fraglich

Angesichts der bevorstehenden Parlamentswahlen in Frankreich ist die Umsetzung dieser Pläne noch ungewiss- die Diskussion über ein heikles Thema ist aber jedenfalls eröffnet.

 

 
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