Wechsel an der Spitze von "Wir sind Kirche"
Hubert Feichtlbauer tritt nach dreieinhalb Jahren als Obmann ab – die
Tirolerin Ingrid Thurner wird seine Nachfolgerin.
Hubert Feichtlbauer will sich zwar weiterhin für die Anliegen des
Kirchenvolks-Begehrens engagieren. Aber mit 70 Jahren will er nicht mehr
unbedingt an der Spitze einer kirchlichen Reformbewegung stehen. Er will
daher jüngeren Kräften – und nach Möglichkeit einer Frau – Platz
machen.
500.000 Unterschriften
1995 hatte die Reformbewegung – angestoßen durch den Fall Groer –
ihren Anfang genommen. 500.000 Österreicher unterschrieben für mehr
Demokratie in der römisch-katholischen Kirchen, für die Zulassung von
Frauen zum Weiheamt, für des Lockerung des Zölibatsgesetzes.
Kategorisches Nein
Auch wenn die Bewegung bald international wurde – am kategorischen Nein
der Kirchenleitung zu allen Forderungen hat das nichts geändert. Der
"Dialog für Österreich" war hierzulande die offizielle Antwort
der Bischöfe – der aber abgebrochen wurde, so Feichtlbauer im Ö 1-
Mittagsjournal, "auf Befehl Roms".
"Kleine Flamme"
Unter Johannes Paul II. erwartet Feichtlbauer keinen großen Reformschub
mehr. Die Aufbau von "Wir sind Kirche" sei es nun die "kleine
Flamme" am Leben zu erhalten – bis aus Rom von einem neuen Papst
wieder andere Signale kommen: "Und dieses Signal wird und muss
kommen."
Keine Frustration
Persönlich frustriert ist der "unverbesserliche Opitmist"
Feichtlbauer keineswegs: "Wir brauchen in unserer Zeit mehr Geduld –
auch die Kirchenreformer." Nach so kurzer Zeit zu verzweifeln, nur weil
noch nicht alle Forderungen "formal umgesetzt" seien, das wäre
– so Feichtlbauer wörtlich – "jämmerlich".
Doppelfunktion
Die Tirolerin Ingrid Thurner (58) ist bereits Geschäftsführerin und
stellvertretende Chefin der Plattform "Wir sind Kirche". Künftig
wird sie nun auch den Vorsitz inne haben. "Beide Arbeiten in einer Hand
mag zwar auf den ersten Blick nicht wirklich gut wirken, andererseits aber
hat es sich angeboten. Ich bin voll drin und wir wollten auch ein Zeichen in
Richtung Frauen setzen", erläuterte Thurner im Gespräch mit der APA.
"Man kann nicht immer nur der Kirche vorwerfen, Frauen zu
diskriminieren, man muss auch selbst diese Linie leben".
Dialog nur ein Schlagwort
Thurners Ansatz gegenüber der Kirche ist von Liebe getragen ("ich
bin Gläubige mit Leib und Seele"), aber kritisch. Sie wünscht sich
eine "gesunde Beziehung zwischen Gott und den Menschen".
Illusionen mache sie sich keine: "Mir ist schon klar, dass 70,
vielleicht sogar 80 Prozent der Katholiken der Kurs der Kirche ziemlich egal
ist, Hauptsache sie sind versorgt und der Pfarrer ist da, wenn sie ihn
brauchen, am Sonntag, bei Taufen und Hochzeiten", aber so Thurner, man
müsse dennoch ständig den Dialog in der Kirche pflegen. Das Wort
"Dialog" sei innerhalb der Kirche oft nur als Schlagwort
verstanden worden.
Bilanzbuchhalterin und ehemalige Pfarrsekretärin
Thurner, gelernte Bilanzbuchhalterin, ist mit einem ehemaligen
Volksschuldirektor verheiratet, hat drei erwachsene Kinder, zwei Enkel (der
dritte kommt Ende Mai). Nach zehnjähriger Arbeit als
Pfarrsekretärin in ihrer Heimat Volders entschied sie sich für eine
Ausbildung zur Mentorin für Pastoralseminare. Sie organisierte den
Papstbesuch 1988 in Innsbruck, war Diözesanvertreterin im Katholischen
Laienrat Österreichs, lange Zeit Vorstandsmitglied der Katholischen
Frauenbewegung der Diözese Innsbruck. Zweieinhalb Jahre arbeitete sie als
Pastoralassistentin in Absam-Eichat. Im Herbst 2000 ist ihr Buch erschienen
"Verurteilt zum Dienen? FRAUEN LEBEN in der Kirche".