Padre.Pio: Ein Heiliger der kleinen Leute und der Prominenten
Als "Volksheiliger" galt Padre Pio (1887-1968) in Italien
schon seit Jahrzehnten. Seit Sonntag ist er es offiziell - und zwar für die
ganze Weltkirche. Ein Bericht von Johannes Schidelko/"Kathpress".
In einer der größten römischen Heiligsprechungsfeiern aller Zeiten
erhob Papst Johannes Paul II. den bärtigen Kapuzinerpater mit den
durchdringenden Augen und den Wundmalen Christen zur Ehre der Altäre. Vor
mehreren hunderttausend Menschen bezeichnete er den bescheidenen Mönch aus
dem süditalienischen Pietrelcina als Vorbild für Frömmigkeit und
Glaubensstärke, für Gottes- und Nächstenliebe, als beispielhaften
Seelsorger, Ratgeber und Beichtvater. Nach der Zeremonie gab es
minutenlangen Beifall, Tausende schwenkten Taschentücher, der Chor sang
"Alleluja", und die Glocken erklangen.
Padre Pio – in Italien ein "Superstar"
Schon zu Lebzeiten stand der Kapuziner im Ruf der Heiligkeit.
Erzählungen und Legenden rankten sich um seine Wundertätigkeit, seine
"Prophezeiungen". Und obwohl die Kirchenleitung zeitweise ein
Auftrittsverbot verhängt hatte, strömten schon damals die Menschen zu
seinem Kloster, um bei ihm zu beichten und seinen Rat zu hören. In Italien
zählt er zu den populärsten Kirchenleuten, zusammen mit dem
"guten" Papst Johannes XXIII.
Heiligsprechung als "Mammutprojekt"
So war die Heiligsprechung organisatorisch ein Mammutprojekt, das sogar
die meisten Großveranstaltungen des "Heiligen Jahres" 2000 in den
Schatten stellte. Schon in den Nachtstunden trafen die ersten der mehr als
2.000 Omnibusse und 30 Sonderzüge in Rom ein. "In einer Rekordzeit von
zehn Stunden sind wir mit dem Bus aus Palermo hier angekommen",
erzählte begeistert ein junges Paar. Sie gehörten zu den Glücklichen, die
in den ersten Reihen einen Sitzplatz ergattert hatten, zwar in der prallen
Sonne, aber mit gutem Blick auf den Papst. Weniger Glück hatte einige
Ordensfrauen aus dem süditalienischen Avellino, die Pater Pio noch
persönlich erlebt hatten. Resigniert ließen sie sich auf Papphockern weit
außerhalb des Platzes nieder und konnten die Feier nur noch über
Lautsprecher verfolgen.
Karol Wojtyla war vor 40 Jahren zu Besuch bei Pater Pio
Die Heiligsprechung von Padre Pio war für den Papst selbst ein
bewegendes Erlebnis. Als junger Priester und später auch als Krakauer
Erzbischof hatte er den Kapuziner in dessen Kloster aufgesucht und bei ihm
gebeichtet, wie er auch in seiner Predigt sagte. Bei einem Besuch 1962 hatte
Karol Wojtyla den Padre auch um sein Gebet für eine an Krebs erkrankte
polnische Medizinerin ersucht, die dann auf unerklärliche Weise geheilt
wurde. Die von Jugend auf mit dem heutigen Papst verbundene Medizinerin -
Wanda Poltawska - nahm an der Papstmesse teil. Ihre Heilung sei ein
"Geschenk Gottes, das Padre Pio für mich erwirkt hat", bekannte
die Professorin in einem Interview. Als sie den Ordensmann 1967 nach ihrer
Heilung in dessen Wirkungsstätte San Giovanni Rotondo besucht habe, sei sie
ganz besonders von seinem "Blick und der Weise, wie er die Messe
gefeiert hat", beeindruckt gewesen, sagte Wanda Poltawska in einem
Interview mit dem vatikanischen Missionspressedienst "Fides". Am
meisten fasziniert sei sie aber von seiner Spiritualität, vom "Zeugnis
seines inneren Lebens in Verbindung mit Gott".
Hitze auf dem Petersplatz - Rettungsdienste im Großeinsatz
Bis zu 40 Grad stiegen bei der Heiligsprechungszeremonie um die
Mittagszeit die Temperaturen rund um den windgeschützten Petersplatz. Für
die Kardinäle und Bischöfe wurden große Schirme in den Vatikanfarben
gelb-weiß ausgegeben. Auch viele Gläubigen auf dem Platz und den
anliegenden Straßen schützten sich mit Schirmen oder Sonnenhüten. Die
Stadtverwaltung gab kostenlos Wasserflaschen aus. Dennoch mussten die
Rettungsdienste mehrere hundert Menschen behandeln - meist wegen
Kreislaufproblemen und Dehydrierung. Papst Johannes Paul II. hat die
zweieinhalbstündige Zeremonie bei drückender Hitze offensichtlich gut
überstanden. Am Ende der Feier fuhr er im offenen Jeep durch die
Menschenspaliere auf dem Petersplatz und wurde von lautem Applaus und
Sprechchören begrüßt. Zwar war der Papstaltar mit einem Sonnensegel
überdacht, dennoch gingen die Temperaturen an die Grenzen der
Belastbarkeit. Auch die Chöre und Orchester taten sich sichtlich schwer.
"Pio-Fans" – Sportler, Schauspieler, Politiker und viele
"kleine Leute"
Viele Spitzenpolitiker, aber auch Promis aus Sport, Film- und
Show-Business nahmen an der Heiligsprechungsfeier teil. Padre Pio hat seine
Anhänger zwar vor allem unter den "kleinen Leuten". Sein Bild
hängt in den Kaffee-Bars und am Rückspiegel der Taxis. Aber auch
auffallend viele Prominente verehren den wundertätigen Kapuziner: Vom
vielfachen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti bis zum Fußball-Star Beppe
Signori, von der Sopranistin Katia Ricciarelli über die Politikerin
Alessandra Mussolini und das Showgirl Valeria Marini bis zum TV-Moderator
Emilio Fede.
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