News 19. 06. 2002

Frauen im Sudan kämpfen gegen Beschneidung und Kopftuchzwang

Als "unerträglich" bezeichnen Frauen im Sudan zahlreiche Vorschriften des islamistischen Regimes. Ein Bericht von Anne-Beatrice Clasmann, dpa.

Amna Abderrahman Hassan kämpft in ihrer Heimat Sudan seit mehreren Jahren gegen die ebenso grausame wie gesundheitsgefährdende Beschneidung der Mädchen. Doch seit einigen Wochen bläst ihr und ihren Mitstreiterinnen ein scharfer Wind aus dem islamisch-fundamentalistischen Lager entgegen. "Am 22. Mai hatte eine Gruppe muslimischer Studentinnen in Omdurman zusammen mit dem Religionsministerium eine Gesprächsrunde veranstaltet, bei der sie für eine neue, angeblich auf das islamische Recht gestützte Methode der Frauenbeschneidung eintraten, bei der man der Frau die Klitoris entfernt", erzählt Amna. "Das ist zwar harmloser als die so genannte pharaonische Beschneidung, die im Sudan oft praktiziert wird, aber trotzdem schlimm für die Betroffenen."

Religiöse Rechtfertigung für Frauenbeschneidung

Amna ist selbst eine gläubige Muslimin und trägt seit ihrer Pilgerfahrt nach Mekka ein eng anliegendes Kopftuch unter ihrem Gewand. Sie und die anderen Frauen vom "Nationalen sudanesischen Komitee für schädliche traditionelle Praktiken" halten die religiöse Rechtfertigung für Frauenbeschneidung, die in mehreren afrikanischen Staaten in unterschiedlicher Form praktiziert wird, für sehr gefährlich. Denn sobald die Regierung in Khartum - ein Zweckbündnis aus Militärs, islamischen Hardlinern und den drei einflussreichsten Stämmen des Nordens - etwas offiziell für "islamisch" erklärt hat, wird es enorm schwierig, sich öffentlich dagegen aufzulehnen. Vor allem die sudanesischen Mädchen und Frauen leiden unter den vielen Vorschriften und Verboten des islamistischen Regimes.

"Gesellschaftspolizisten" drücken manchmal ein Auge zu

Zwar werden manche dieser Regeln in der letzten Zeit und vor allem seit der Entmachtung des fundamentalistischen Chefideologen Hassan Tourabi nicht mehr konsequent durchgesetzt. Einige der so genannten Gesellschaftspolizisten, die von den Vorschriften selbst nicht so überzeugt sind, drücken manchmal ein Auge zu. Die Gesetze sind aber immer noch da, und wenn ein Polizist eine Christin oder eine liberal eingestellte Muslimin schikanieren will, die in Hosen und ohne Kopftuch zur Universität kommt, dann kann er das jederzeit tun. "Ich finde, die Kopftuch-Frage sollte nicht vom Staat entschieden werden", meint Amna und spricht damit aus, was vielen Sudanesen - auch Männer - denken, die in der Religion eher eine Privatsache sehen.

Mehr Freiheiten für Frauen aus dem Westen

Ausländerinnen gegenüber zeigt sich der sudanesische Staat toleranter. Zwar gelten auch hier bestimmte Tabus, wie der Wäschezettel eines Hotels in Khartum zeigt, auf dem sich die Inhaber dafür entschuldigen, dass sie keine Damenunterwäsche annehmen können. Doch westliche Frauen können in Khartum unbelästigt ohne Kopftuch spazieren gehen. Das gilt auch für koptische Christinnen. "Die Polizei belästigt immer nur die schwarzen Mädchen - mich halten sie nie auf der Straße an, denn ich bin weiß", erklärt eine sudanesische Koptin, die in einem der Souvenirgeschäfte der Hauptstadt Holzschnitzereien verkauft. Die junge Frau, die bei der Arbeit eine Hose und eine kurzärmelige Bluse trägt, findet das ganz normal. "Sicher, irgendwie ist das schon rassistisch", räumt sie ein, allerdings ohne einen Anflug von Betroffenheit. Nach Ansicht von amnesty international (ai) haben die Frauen unter dem Bürgerkrieg und der Politik des Islamisten-Regime besonders zu leiden, das 1989 durch einen Militärputsch an die Macht gekommen war. Die Menschenrechtsorganisation prangert vor allem die Verschleppung der Frauen aus dem Süden, die Vergewaltigung von Frauen durch Soldaten und Kämpfer auf beiden Seiten sowie die Einschränkung der Rechte der Frauen an.

 

 

 

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