News 26. 06. 2002

Prominentes Personenkomitee "gegen nationale Rhetorik und billigen Populismus"

"Alte Wunden" und "nationale Mythen" dürfen den Einigungsprozess nicht gefährden, heißt es in dem Aufruf. Gemeint ist damit unter anderem die Debatte über die "Benes-Dekrete".

26 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus mehreren Ländern Europas warnen vor nationalistischen und populistischen Tönen in der europäischen Politik. "Aus der Mitte des Kontinents werden Stimmen laut, die die Traumata aus der Zeit der Kriege des vergangenen Jahrhunderts neu beleben, alte Wunden aufreißen und an alte Verbrechen erinnern", heißt es in dem Aufruf in bewusster Anspielung auf die Debatte um die Benes-Dekrete. Diese waren die rechtliche Grundlage für die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung aus der heutigen Republik Tschechien nach 1945.

"Dunkle Mythen" und "nationale Rivalitäten"

"Das verheißungsvoll begonnene Bündnis, das auf ein vereintes und daher friedliches Europa abzielt, wird von dunklen nationalen Mythen und der Manipulation mit alten Rivalitäten untergraben", heißt es weiter in dem Appel, der unter anderem von Nationalratspräsident Heinz Fischer und Erhard Busek, EU-Beauftragter für den Balkan-Stabilitätspakt, und dem Prager Weihbischof Vaclay Maly unterzeichnet wurde.

Von Cohn-Bendit bis Karl Schwarzenberg

Weitere Unterzeichner sind die Schriftsteller György Konrad, Peter Esterhazy und Günther Grass, der deutsche Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, die beiden ehemaligen polnischen Außenminister Wladyslaw Bartoszewski und Bronislaw Geremek, Ungarns ehemaliger Präsident Arpad Göncz, der polnische Publizist Adam Michnik, die tschechische Senatspräsidentin Petra Buzkova, der EU-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit und Karl Schwarzenberg.

"Lagerstätten alter Verbrechen"

"Zu Beginn des dritten Jahrtausends, nach der grausamen Lektion der Ohnmacht der Europäer auf dem Balkan, stehen die Tore der Europäischen Union offen", wird in dem Appell festgehalten. Das heutige gemeinsame Europa sei mit seiner Rücksichtnahme auf die nationalen Identitäten "der einzige verlässliche Schutz gegen die Versuchung, aus den Lagerstätten der alten Verbrechen Gewinn zu ziehen".

"Eindringlinge aus dem Jenseits der Geschichte"

Man dürfe nicht zulassen, dass in das vereinte Europa "mit uns auch Eindringlinge aus dem Jenseits der Geschichte eintreten" - Hitler und Stalin, die Europa auf Jahrzehnte hinaus gespalten hatten. "Welchem Volk der europäischen Mitte ist nichts angetan worden, welches Volk der europäischen Mitte hat nicht auch selbst Verbrechen begangen?"

Grotesker, politischer Kitsch

Die Unterzeichner rufen "alle, deren Stimme Gewicht hat", auf, zuhause, aber auch überall anderswo "gegen eine so genannte 'nationale Rhetorik' und billigen Populismus aufzustehen, mögen diese auch als grotesker politischer Kitsch erscheinen".

 

 

 
Seitenanfang 
weitere News