Vertriebene Juden verlangen spanische Staatsangehörigkeit
Mehr als 500 Jahre nach der Vertreibung der Juden aus Spanien haben
deren Nachfahren die spanische Staatsangehörigkeit verlangt.
Die spanische Regierung und das Parlament sollten die spanischstämmigen
Juden rehabilitieren und anerkennen, dass sie zu Spanien gehörten, sagte
der Präsident des Weltverbandes der Sepharden, Nessim Gaon, am Montag bei
der Eröffnung der bisher größten Konferenz dieser Bevölkerungsgruppe in
Barcelona. Das bislang letzte Treffen dieser Art hatte vor 70 Jahren in Wien
stattgefunden.
Konferenz mit 600 Experten
Gaon forderte Spanien ferner auf, Mittel zur Verbreitung der
jüdisch-spanischen Sprache des Ladino bereit zu stellen. Auf der Konferenz
beraten 600 Experten über das kulturelle Erbe der einst blühenden
jüdischen Gemeinden in Spanien. Außerdem sollte ein Internationales
Sephardim-Institut gegründet werden.
Vertreibung vor einem halben Jahrtausend
Die Vertreibung der Juden aus Spanien liegt 510 Jahre zurück, aber die
Sephardim haben die Heimat ihrer Vorfahren nie vergessen. Die
spanisch-stämmigen Juden behielten ihre spanischen Namen und manche
besitzen heute noch die Schlüssel, mit denen ihre Vorfahren 1492 beim
Verlassen Spaniens ihre Häuser verschlossen hatten. Viele pflegen noch die
Sprache des Ladino, das dem Spanischen aus der Zeit des 15. Jahrhunderts
ähnelt.
Mehr als ein Viertel aller Juden spanischer Herkunft
Von den 16 Millionen Juden weltweit sind nach Schätzungen etwa 4,5
Millionen spanischer Herkunft. "Diese werden längst nicht alle Spanier
werden wollen", sagt der Kongress-Veranstalter Giaco Ventura. "Wir
verlangen von Spanien also nichts Unmögliches."
Spanien als "Bastion des militanten Christentums"
Als Königin Isabella I. von Kastilien und König Ferdinand II. von
Aragón 1492 die Ausweisung verfügten, gaben sie den Juden drei Monate
Zeit, ihr Hab und Gut zu verkaufen und Spanien zu verlassen. Das
"Katholische Königspaar" beendete in diesem Jahr mit der Einnahme
Granadas den Krieg gegen die Mauren und wollte das Land zu einer Bastion des
militanten Christentums machen. Mit der Vertreibung der etwa 100.000 bis
500.000 Juden ging Spanien ein großes geistiges und wirtschaftliches
Potenzial verloren. Die Vertriebenen hatten einen Mittelstand von
Handwerkern, Händlern, Ärzten und Verwaltern gebildet. Spanien war mehrere
Jahrhunderte lang das geistige Zentrum der jüdischen Welt gewesen, Toledo
galt als "Jerusalem des Westens".
Zuflucht in Nordafrika und der Türkei
Die spanischen Juden wurden in alle Welt verstreut. Viele suchten in
Nordafrika oder der heutigen Türkei Zuflucht. Über Umwege gelangten die
Nachfahren einiger Vertriebener im 16. und 17. Jahrhundert auch nach
Hamburg, wo sich zuvor eine größere Gemeinde von portugiesischen Juden
niedergelassen hatte. Im 19. und 20. Jahrhundert kehrten allmählich Juden
nach Spanien zurück.
Jüdische Viertel wieder restauriert
Heute haben die jüdischen Gemeinden in Spanien 15.000 bis 20.000
Mitglieder. Viele Städte haben ihre "juderías", die
mittelalterlichen jüdischen Viertel, restauriert und zu Sehenswürdigkeiten
gemacht. Zu den wichtigsten gehören die alten Judenviertel in Toledo,
Córdoba, Gerona oder Barcelona. Erstaunlicherweise bewahrte ein großer
Teil der Sephardim - trotz der Vertreibung der Vorfahren - über die
Jahrhunderte hinweg eine liebevolle und nostalgische Beziehung zu Spanien.
Der aus Bulgarien stammende Harry Moreno (73), der 1951 über Syrien und
Libanon nach Spanien übersiedelte, sagte kürzlich der Zeitung "La
Vanguardia": "Als ich spanischen Boden betrat, fühlte ich, dass
ich nach Hause zurückgekehrt war."
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