Ein Weihnachtsessen der besonderen Art
Die katholische Basisgemeinschaft von Sant'Egidio lädt seit 20 Jahren
am 25. Dezember Obdachlose, Ausländer ohne Papiere, Straßenkinder und Arme
zu einem Weihnachtsessen in die römischen Basilika Santa Maria ein. Ein
"Kathpress"-Korrespondentenbericht von Hilde Regeniter.
Wo sonst die Kirchenbänke stehen, sind am ersten Weihnachtstag in der
römischen Basilika Santa Maria in Trastevere lange Tische aufgebaut. Es
riecht nicht nach Weihrauch und Kerzen, sondern nach Pasta und gebratenem
Fleisch. Zwischen den Säulen der Basilika wird viel erzählt und auch viel
gelacht. Damit auch die Armen Weihnachten als Fest der Freude erleben
können, lädt die römische Basisgemeinschaft Sant'Egidio am 25. Dezember
zum Essen in die Kirche ein - Obdachlose und Stadtstreicher, Ausländer ohne
Papiere und Zigeuner, Straßenkinder und Bettler, Alte und Kranke.
Wichtigstes Geschenk: Geborgenheit
Rund 500 Menschen kommen alljährlich zum Festmahl in die älteste
Marienkirche Roms. "Wir versuchen, sie alle persönlich
einzuladen", sagt Sant'Egidio-Mitarbeiterin Francesca Zuccari, die seit
nun mehr 20 Jahren die Weihnachtsessen organisiert. "An unsere Freunde
mit festem Wohnsitz schicken wir ein Kärtchen", die auf der Straße
Lebenden sprechen die Helfer der Gemeinschaft in ihrer täglich im
römischen Stadtteil Trastevere geöffneten Suppenküche an. Denn das ist
für die Gäste fast wichtiger als Speis und Trank: das Gefühl, endlich
einmal willkommen zu sein. Wer niemanden hat, keine Freunde, keine
Verwandte, der soll hier mit dazu gehören. Die Leute von der kirchlichen
Basisgemeinschaft wollen ihren Gästen zum Fest der Geburt Christi ein
Stück familiäre Geborgenheit schenken. Vor der Mahlzeit findet ein
Gottesdienst statt. "Aber die Teilnahme daran ist absolut keine
Bedingung, um zum Essen zu kommen", betont Zuccari. Schließlich folgen
auch Muslime, Buddhisten, Juden und Angehöriger anderer Religionen der
Einladung.
Ein Festmahl im Gotteshaus
Geschenke gibt es auch, mit Namensschildern versehen. Die Mitarbeiter
kennen ihre Schützlinge und wissen, was der einzelne gut brauchen kann. Zum
Beispiel eine dicke Jacke gegen die kalten Nächte auf der Straße, einen
Regenschirm oder einen Schlafsack. Denn oft sind es Gegenstände des
täglichen Lebens, über die sich die Leute hier am meisten freuen. Mit
seinen wundervollen Apsismosaiken und dem kostbaren Cosmatenboden bietet das
Gotteshaus dann eine feierliche Kulisse für das Mahl, das rund zwei Stunden
dauert. Im Hintergrund läuft Musik - klassische Weihnachtsstücke, aber
auch Melodien aus aller Welt. Freiwillige Helfer tragen auf: Lasagne und
Braten, aber auch das typisch römische Linsengericht. Zum Anstoßen gibt es
Wein und Sekt.
Die Besucher kommen in "Festtagskleidung"
Übrigens ist es nie ein Problem, genügend Hilfspersonal zu finden, sagt
Francesca Zuccari. Und es geht immerhin um etwa 500 Leute, die bei der
Vorbereitung und beim Ablauf der Feier helfen. Sie kaufen Lebensmittel in
großen Mengen ein und bereiten sie zu, die Geschenke müssen ausgesucht und
eingepackt werden. Aber in dem Gefühl, gebraucht zu werden und anderen
etwas geben zu können, erschließt sich für viele "normale
Leute" die eigentliche Bedeutung des Weihnachtsfestes wieder. Und auch
für die Gäste ist an diesem Tag manches anders als sonst. So erscheinen
auch die Stadtstreicher zur Feier des Tages in "Festtagskleidung".
"Ich habe schon oft erlebt, wie Obdachlose in feuchten Kleidern kamen,
weil sie am Tag vorher ihren einzigen Pullover, ihre einzige Hose gewaschen
hatten", erzählt Francesca Zuccari.
Das römische Vorbild wirkte
Seit dem Auftakt 1982 ist das alljährliche Weihnachtsmahl von Sant'
Egidio mit den Armen längst zur Tradition geworden. Ganz am Anfang gab es
vereinzelt Kritik, ob das Mahl denn ausgerechnet in einem geweihten
Gotteshaus stattfinden müsse. 20 Jahre später sind die Weihnachtsessen im
Kirchenraum akzeptiert. Sogar Kardinäle und Erzbischöfe nehmen mitunter an
dem Essen teil. "Gott ist ein Freund der Armen. Da ist es doch das
Nächstliegende, dass eben diese in seinem Haus feiern", unterstreicht
Francesca Zuccari. Mittlerweile haben Sant'Egidio-Gemeinschaften in der
ganzen Welt den Brauch der festlichen Armenspeisung zu Weihnachten
übernommen.
"...lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein"
Auf der Website der Gemeinschaft steht eine Passage des
Lukas-Evangeliums: "Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, so
lade nicht dein Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche
Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich ein und damit ist dir wieder alles
vergolten. Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme
und Blinde ein". Den Auftrag Jesu wollen die Sant'Egidio-Leute in
besonderer Weise mit dieser Weihnachtsaktion erfüllen.
Link:
Sant'Egidio
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