News 12.  12. 2002

Ein Weihnachtsessen der besonderen Art

Die katholische Basisgemeinschaft von Sant'Egidio lädt seit 20 Jahren am 25. Dezember Obdachlose, Ausländer ohne Papiere, Straßenkinder und Arme zu einem Weihnachtsessen in die römischen Basilika Santa Maria ein. Ein "Kathpress"-Korrespondentenbericht von Hilde Regeniter.

Wo sonst die Kirchenbänke stehen, sind am ersten Weihnachtstag in der römischen Basilika Santa Maria in Trastevere lange Tische aufgebaut. Es riecht nicht nach Weihrauch und Kerzen, sondern nach Pasta und gebratenem Fleisch. Zwischen den Säulen der Basilika wird viel erzählt und auch viel gelacht. Damit auch die Armen Weihnachten als Fest der Freude erleben können, lädt die römische Basisgemeinschaft Sant'Egidio am 25. Dezember zum Essen in die Kirche ein - Obdachlose und Stadtstreicher, Ausländer ohne Papiere und Zigeuner, Straßenkinder und Bettler, Alte und Kranke.

Wichtigstes Geschenk: Geborgenheit

Rund 500 Menschen kommen alljährlich zum Festmahl in die älteste Marienkirche Roms. "Wir versuchen, sie alle persönlich einzuladen", sagt Sant'Egidio-Mitarbeiterin Francesca Zuccari, die seit nun mehr 20 Jahren die Weihnachtsessen organisiert. "An unsere Freunde mit festem Wohnsitz schicken wir ein Kärtchen", die auf der Straße Lebenden sprechen die Helfer der Gemeinschaft in ihrer täglich im römischen Stadtteil Trastevere geöffneten Suppenküche an. Denn das ist für die Gäste fast wichtiger als Speis und Trank: das Gefühl, endlich einmal willkommen zu sein. Wer niemanden hat, keine Freunde, keine Verwandte, der soll hier mit dazu gehören. Die Leute von der kirchlichen Basisgemeinschaft wollen ihren Gästen zum Fest der Geburt Christi ein Stück familiäre Geborgenheit schenken. Vor der Mahlzeit findet ein Gottesdienst statt. "Aber die Teilnahme daran ist absolut keine Bedingung, um zum Essen zu kommen", betont Zuccari. Schließlich folgen auch Muslime, Buddhisten, Juden und Angehöriger anderer Religionen der Einladung.

Ein Festmahl im Gotteshaus

Geschenke gibt es auch, mit Namensschildern versehen. Die Mitarbeiter kennen ihre Schützlinge und wissen, was der einzelne gut brauchen kann. Zum Beispiel eine dicke Jacke gegen die kalten Nächte auf der Straße, einen Regenschirm oder einen Schlafsack. Denn oft sind es Gegenstände des täglichen Lebens, über die sich die Leute hier am meisten freuen. Mit seinen wundervollen Apsismosaiken und dem kostbaren Cosmatenboden bietet das Gotteshaus dann eine feierliche Kulisse für das Mahl, das rund zwei Stunden dauert. Im Hintergrund läuft Musik - klassische Weihnachtsstücke, aber auch Melodien aus aller Welt. Freiwillige Helfer tragen auf: Lasagne und Braten, aber auch das typisch römische Linsengericht. Zum Anstoßen gibt es Wein und Sekt.

Die Besucher kommen in "Festtagskleidung"

Übrigens ist es nie ein Problem, genügend Hilfspersonal zu finden, sagt Francesca Zuccari. Und es geht immerhin um etwa 500 Leute, die bei der Vorbereitung und beim Ablauf der Feier helfen. Sie kaufen Lebensmittel in großen Mengen ein und bereiten sie zu, die Geschenke müssen ausgesucht und eingepackt werden. Aber in dem Gefühl, gebraucht zu werden und anderen etwas geben zu können, erschließt sich für viele "normale Leute" die eigentliche Bedeutung des Weihnachtsfestes wieder. Und auch für die Gäste ist an diesem Tag manches anders als sonst. So erscheinen auch die Stadtstreicher zur Feier des Tages in "Festtagskleidung". "Ich habe schon oft erlebt, wie Obdachlose in feuchten Kleidern kamen, weil sie am Tag vorher ihren einzigen Pullover, ihre einzige Hose gewaschen hatten", erzählt Francesca Zuccari.

Das römische Vorbild wirkte

Seit dem Auftakt 1982 ist das alljährliche Weihnachtsmahl von Sant' Egidio mit den Armen längst zur Tradition geworden. Ganz am Anfang gab es vereinzelt Kritik, ob das Mahl denn ausgerechnet in einem geweihten Gotteshaus stattfinden müsse. 20 Jahre später sind die Weihnachtsessen im Kirchenraum akzeptiert. Sogar Kardinäle und Erzbischöfe nehmen mitunter an dem Essen teil. "Gott ist ein Freund der Armen. Da ist es doch das Nächstliegende, dass eben diese in seinem Haus feiern", unterstreicht Francesca Zuccari. Mittlerweile haben Sant'Egidio-Gemeinschaften in der ganzen Welt den Brauch der festlichen Armenspeisung zu Weihnachten übernommen.

"...lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein"

Auf der Website der Gemeinschaft steht eine Passage des Lukas-Evangeliums: "Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, so lade nicht dein Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein; sonst laden auch sie dich ein und damit ist dir wieder alles vergolten. Nein, wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein". Den Auftrag Jesu wollen die Sant'Egidio-Leute in besonderer Weise mit dieser Weihnachtsaktion erfüllen.

 

 

Link:

Sant'Egidio

 

 

 
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