News 14.  01. 2003

Papst: "Krieg ist immer eine Niederlage für die Menschheit"

Vor dem Hintergrund wachsender Spannungen im Nahen Osten und um Nordkorea hat Papst Johannes Paul II. am Montag vor dem beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Corps eine dramatische Rede gegen den Krieg gehalten. Ein "Kathpress"-Korrespondentenbericht von Ludwig Ring-Eifel.

Mit düsteren Worten schilderte der Papst die Lage der Menschheit, die sich heute mehr denn je ihrer prekären Lage bewusst sei. Die Politik müsse verhindern, dass "ganze Völker oder gar die gesamte Menschheit im Abgrund versinkt", lautete die drastische Warnung in der Neujahrsansprache an das Diplomatische Corps, die Johannes Paul II. traditionell als Forum für politische Grundsatzerklärungen zu den aktuellen Krisenherden der Erde nutzt. Da der Papst in seiner Rede an die Diplomaten konkreter als sonst die Dinge beim Namen nennt und die üblichen allgemeinen Umschreibungen beiseite lässt, analysieren Vatikan-Auguren und Außenpolitiker in aller Welt sie besonders genau. Angesichts der Weltlage wird der Text vor allem von amerikanischer und von arabischer Seite darauf untersucht, ob er eine eindeutige Absage an den bevorstehenden Angriff der USA und Großbritanniens auf den Irak enthält, oder ob Hintertüren offen bleiben.

"eine Niederlage für die Menschheit"

Der Krieg sei eine "allerletzte Option", die nur unter sehr strengen Bedingungen gewählt werden könne, erklärte der Papst unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen. Dennoch ließ er keinen Zweifel daran, dass er den Krieg unter den Rahmenbedingungen, wie ihn derzeit die USA und Großbritannien gegen den Irak vorbereiten, nicht gutheißt. "Krieg ist niemals ein unvermeidbares Schicksal, er ist immer eine Niederlage für die Menschheit", erklärte er. Zugleich erinnerte er an die Entbehrungen der irakischen Zivilbevölkerung, die schon jetzt unter einem zwölf Jahre anhaltenden Embargo zu leiden habe. Unüberhörbar warnte er nicht nur vor den aktuellen Schäden, sondern auch vor den Spätfolgen, die ein militärisches Eingreifen auslösen könnte - offenbar ein Echo auf die Sorgen um eine Destabilisierung der gesamten Nahostregion.

Angst vor Terror

Der Papst zeigte sich in einer ungewöhnlich persönlich gehaltenen Passage seiner Rede tief berührt von dem derzeit weit verbreiteten "Gefühl der Angst" unter den Menschen und nannte als eine der wichtigsten Ursachen dafür den "heimtückischen Terrorismus". Wörtlich sagte Johannes Paul II.: "Ich bin selbst erschüttert über die Angst, die in den Herzen vieler unserer Zeitgenossen wohnt: Der Terrorismus, der jederzeit und überall zuschlagen kann. Die schweren gesellschaftlichen Erschütterungen in vielen Ländern Lateinamerikas. Tödliche Epidemien, Armut, Hunger - es gibt so viele Geißeln, die das Glück der Menschen bedrohen".

"Nein zum Egoismus"

Deshalb, so der Papst, müssten die Völker und ihre Verantwortlichen manchmal den Mut haben, Nein zu sagen: "Nein zum Tod, das bedeutet ein Nein zu allem, was die unvergleichliche Würde jedes menschlichen Wesens verletzt." Hier nehme alles seinen Anfang: "Abtreibung, Euthanasie oder das Klonen zum Beispiel reduzieren den Menschen zum Objekt. Immer geht es dabei um Leben und Tod auf Kommando. Eine Wissenschaft, die die Quellen des Lebens antastet, verneint Sein und Würde des Menschen...Nein zum Egoismus. Das heißt zu allem, was den Menschen dazu bewegt, sich abzuschotten: sei es in einer privilegierten Gesellschaftsschicht, sei es in kultureller Behaglichkeit."

Zurück zum Naturrecht

Statt eines Krieges gebe es immer auch andere Wege der Konfliktlösung, die dem internationalen Recht und der menschlichen Würde besser entsprächen, betonte der Papst. Er denke heute an jene, die ihr Vertrauen noch immer in Atomwaffen setzten, so der Papst. Ebenso an das Heilige Land, wo zwei Völker in gegenseitigem Respekt miteinander leben sollten, frei und souverän: "Und was soll man zu dem drohenden Krieg sagen, der bald über das Volk der Iraker kommen könnte? Das Land der Propheten, das schon durch zwölf Jahre Embargo entkräftet ist?" Die Charta der Vereinten Nationen erinnere daran, dass man zum Krieg nur im äußersten Notfall greifen dürfe, und dass die Folgen für die Zivilbevölkerung mit einkalkuliert werden müssten: "Um zu verhindern, ins Chaos zu fallen, müssen die Staaten zunächst zum Naturrecht zurückfinden, zu starken ethischen Überzeugungen." Außerdem gelte es, zu begreifen, dass es in der Staatengemeinschaft keine vollkommene Unabhängigkeit gebe, sondern vielmehr eine gegenseitige Abhängigkeit.

Europa als "Leuchtturm der Freiheit"

Als Beispiel für eine gelungene Abkehr vom Abgrund nannte der Papst vor allem Europa. Ungeachtet der derzeitigen wirtschaftlichen Krise pries er die Entwicklung Europas in leuchtenden Farben. Europa, das im 20. Jahrhundert von Weltkriegen ruiniert und dann von der Ost-West-Spaltung zerrissen war, finde nun zu Einheit, Gerechtigkeit und Wohlstand. Als einzigen Wermutstropfen nannte er die noch fehlende Berücksichtigung des religiösen Erbes Europas in der künftigen Verfassung der EU. Doch ansonsten klang die Rede so, als sehe der Papst das vereinte Europa als strahlendes Vorbild für die Zukunft der Völker, das den USA als einstigem "Leuchtturm der Freiheit" den Rang ablaufen könnte.

 

 

 

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