EU-Verfassung:
Vatikan enttäuscht über fehlenden religiösen Bezug
Im
Entwurf für die ersten 16 Kapitel wurden die Erwartungen des Papstes und
der christlichen Kirchen nicht berücksichtigt.
Der
Vatikan hat sich enttäuscht über das Fehlen eines religiösen Bezugs im
Entwurf für die ersten 16 Kapitel der künftigen EU-Verfassung gezeigt.
Offensichtlich sei weder das Drängen von Papst Johannes Paul II. noch der
erklärte Wunsch mehrerer europäischer Staaten berücksichtigt worden, hieß
es in einer ersten Reaktion aus dem Vatikan. Enttäuscht äußerte sich auch
der Generalsekretär des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE),
Aldo Giordano. Im Gespräch mit "Kathpress" erklärte Giordano am
Freitag, die Kirchen Europas hätten einen expliziten Bezug auf Gott oder
auf transzendente Grundlagen für die fundamentalen Werte in den ersten drei
Artikeln der EU-Verfassung erwartet.
Menschenwürde
Zugleich
betonte Giordano, die Kirchen begrüßten die in Artikel 2 des Entwurfs
genannten Grundwerte, insbesondere den Bezug auf die Menschenwürde und den
Frieden. Sie hegten weiterhin Hoffnung, dass an anderen Stellen des Textes,
von denen es noch keinen Entwurf gebe, ein transzendenter Bezug eingefügt
werde. Wörtlich heißt es in Artikel 2 des vorgelegten Verfassungsentwurfs:
"Die Union beruht auf den folgenden Werten: Achtung der Menschenwürde,
Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte;
diese Werte sind allen Mitgliedsstaaten gemeinsam. Die Union strebt eine
friedliche Gesellschaft an, in der Toleranz, Gerechtigkeit und Solidarität
herrschen". Artikel 3, Absatz 3 lautet: "Die Union bildet einen
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem ihre gemeinsamen
Werte gefördert werden und der Reichtum ihrer kulturellen Vielfalt geachtet
wird".
Grundrechte-Charta
In
Artikel 5, der den Grundrechten gewidmet ist, wird festgehalten, dass die
Grundrechte-Charta der Europäischen Union "integraler Bestandteil der
Verfassung" ist. Die Charta enthält - nur in ihrer deutschsprachigen
Fassung - einen Hinweis auf das "geistig-religiöse" Erbe Europas.
Auf
das Wesentliche reduziert
In
den Erläuterungen des Konvents zu dem Entwurf wird hinsichtlich des
Artikels 2 festgestellt, dieser konzentriere sich "auf das Wesentliche,
d. h. auf eine kurze Aufstellung der grundlegenden europäischen
Werte". Dessen ungeachtet könnten - so die Erläuterungen - in der
Verfassung "hier und da auch zusätzliche oder näher erläuterte
Bestandteile der 'Ethik' der Union genannt werden", z. B. in der Präambel,
in Artikel 3 über die allgemeinen Ziele der Union, in der Grundrechtecharta
oder in Kapitel VI über "Das demokratische Leben der Union". Zu
Artikel 3 wird erläutert, er solle "die allgemeinen Ziele aufgeführt
werden, welche im übergeordneten Sinne die Existenz der Union selbst und
ihr Handeln zum Wohle ihrer Bürger rechtfertigen".
Geistig-religiöses
Erbe
Ende
Jänner hatten Mitglieder des Konvents aus den Reihen der Europäischen
Volkspartei (EVP/PPE) einen eigenen Vorschlag für die Aufnahme eines religiösen
Bezuges in die EU-Verfassung eingebracht. Laut dem Vorschlag der
EVP-Mitglieder sollte in die Präambel der Verfassung die Passage
aufgenommen werden: "... in dem Bewusstsein ihrer Geschichte, der
unteilbaren und universellen Werte der Würde des Menschen, der Freiheit,
der Gleichheit und der Solidarität und was Europa seinem geistig-religiösen
Erbe schuldet..." Weiters sollte "an geeigneter Stelle" der
Passus eingefügt werden: "Die Werte der Europäischen Union umfassen
die Wertvorstellungen sowohl derjenigen, die an Gott als Quelle der
Wahrheit, Gerechtigkeit, des Guten und des Schönen glauben, als auch
derjenigen, die diesen Glauben nicht teilen, sondern diese universellen
Werte aus anderen Quellen ableiten". Die beiden Formulierungen bauen
auf der EU-Grundrechtecharta bzw. der polnischen Verfassung auf, wie die
EVP-Konventsmitglieder festhalten. Mit ihnen soll dem Umstand Rechnung
getragen werden, dass sich "die ethischen Wurzeln unseres Europa auch
in seinem geistig-religiösen Erbe finden".
Debatte
über Werte und Ziele
Zu
einer ersten Debatte dieses Vorschlags wird es laut Einschätzung aus
EVP-Kreisen wahrscheinlich in der nächsten Plenarsitzung des Konvents am
27. und 28. Februar kommen. Für diesen Termin steht die Debatte über die
Werte und Ziele der Union auf dem Programm.
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