Theologe Johann Baptist Metz wird 75
Der Begründer der "Politischen Theologie"
sieht in Auschwitz den Schlüssel für die Krise der Gegenwart.
Johann Baptist Metz, einer der
einflussreichsten katholischen Theologen der Gegenwart, wird am 5. August 75
Jahre alt. Der Begründer der "Politischen Theologie" gilt als
einer der bedeutendsten deutschsprachigen Theologen nach dem Zweiten
Vatikanischen Konzil.
Einfluss der Befreiungstheologie
Er hatte Einfluss auf Entstehung und
Konzeption der lateinamerikanischen Befreiungstheologie und wurde in seinen
Entwürfen wiederum von dieser beeinflusst. Metz ist auch mit Wien eng
verbunden. Auf Einladung des damaligen Wissenschaftsministers Erhard Busek
nahm Metz ab dem Herbstsemester 1993 an der Philosophischen Fakultät der
Wiener Universität eine mehrjährige Gastprofessur für
Religionsphilosophie und Weltanschauungslehre an.
30 Jahre Professor in Münster
Der 1928 in der Oberpfalz geborene
Metz promovierte nach Studien in Bamberg, Innsbruck und München in
Philosophie und Theologie und wurde 1954 zum Priester geweiht. 1963 wurde er
an die Universität Münster berufen. 30 Jahre lang lehrte er als Professor
für Fundamentaltheologie in Münster, wo er bis heute wohnt.
Berater von Kardinal König
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil
war er Berater des damals von Kardinal Franz König geleiteten römischen
Sekretariats für die Nichtglaubenden. Besonderen Einfluss hatte Metz als
Berater der Synode der Diözesen der Bundesrepublik Deutschland von 1971 bis
1975 in Würzburg.
Gegen "Verbürgerlichung des Christentums"
Theologie ist für Metz, der immer
wieder vor einer "Verbürgerlichung des Christentums" warnt, das
Bemühen, den Glauben in Geschichte und Gesellschaft zu verlebendigen.
Inspiriert wurde Metz auch von der sogenannten Frankfurter Schule um Theodor
Adorno, Max Horkheimer und Jürgen Habermas.
Mitbegründer von „Concilium“
Seit 1983 ist Metz Beiratsmitglied
des in Wien ansässigen und vom "Solidarnosc"- Berater und
Papst-Freund Jozef Tischner begründeten "Instituts für die
Wissenschaften vom Menschen" (IWM). Er ist Mitbegründer und
-herausgeber der internationalen theologischen Zeitschrift "Concilium".
„Compassion“ vs. „Globalisierung“
Zuletzt erregte Metz Aufsehen mit
seinem globalisierungskritischen Plädoyer für "Compassion" als
"Schlüsselwort für das Weltprogramm des Christentums": Die
christliche Gottesrede müsse ein universales Leidensgedächtnis, eine
"Compassion", sein. Nur ein solcher "negativer
Universalismus" verkomme nicht zu einem ideologischen Fundamentalismus.
Mystik, Gebet und Gehorsam
Gegen innerkirchliche Widerstände
hatte Metz 1968 die ideologie- und gesellschaftskritischen Ansätze Ernst
Blochs und der "Frankfurter Schule" in die Theologie eingeführt.
Seine Forderung nach einer "Subjektwerdung" der Christen wurde von
den Befreiungstheologen in Lateinamerika dankbar aufgegriffen und weitergeführt.
Zugleich warnte Metz aber vor einer undialektisch vollzogenen Aufklärung,
die alle Transzendenz säkularisiert und nichts mehr von Mystik, Gebet,
Gehorsam und Tradition wissen will.
Bezug auf Karl Rahner
Die Entdeckung des modernen, mündigen
Subjekts für die "Rede von Gott" schreibt Metz vor allem seinem
Lehrer, dem Konzilstheologen Karl Rahner, zu: Dieser habe die erstarrte
neuscholastische Schultheologie aufgesprengt. Metz knüpft hieran an,
sprengt aber seinerseits Rahners geschichtslosen, "transzendental-
idealistischen" Denkrahmen. Denn dieser habe allzu lange einen
erinnernden Blick auf das grauenvolle Geschehen von Auschwitz verhindert.
Holocaust senkte „moralische Schamgrenze“
Auschwitz ist nach Einschätzung von
Metz die Ursache für viele gesellschaftliche Krisen der heutigen Zeit. Der
Holocaust habe die metaphysische und moralische Schamgrenze zwischen den
Menschen "tief abgesenkt" und das Band der Solidarität verletzt,
so der Fundamentaltheologe. Nicht nur der Mensch, auch die Idee des Menschen
und der Menschheit seien offensichtlich verletzbar.
Zivilisatorisches Urvertrauen
Heutige Gewaltorgien zersetzen laut
Metz das zivilisatorische Urvertrauen sowie noch vorhandene moralische und
kulturelle Reserven. Dem Menschen am Beginn des 21. Jahrhunderts komme nicht
nur Gott abhanden, sondern der Mensch scheine immer mehr sich selbst
abhanden zu kommen, weil die Menschlichkeit abnehme. Metz fordert, den
Schmerz der Erinnerung an die Shoah nicht weiter ausdünnen zu lassen. Dazu
bedürfe es der Religion, aber auch der Literatur und Kunst, "die sich
als Anschauungsform der Erinnerung fremden Leids versteht und
verwirklicht". Alle Werke filmischer Kunst, die die Situation des
Leidens und der Schuld ins Gedächtnis rufen, "tragen uns, den ins
Vergessen Verliebten, den Schmerz der Erinnerung nach".
Legitimationskrise der Theologie
Zu seinem 75. Geburtstag veranstalten
seine Schüler und Freunde im Oktober eine Tagung im münsterländischen
Ahaus. Dabei wird es wohl auch um die Legitimationskrise der Theologie
gehen, und speziell um die Krise der Politischen Theologie, die an den
Lehrstühlen kaum noch vertreten ist.
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