News 04. 08. 2003

Theologe Johann Baptist Metz wird 75

Der Begründer der "Politischen Theologie" sieht in Auschwitz den Schlüssel für die Krise der Gegenwart.

Johann Baptist Metz, einer der einflussreichsten katholischen Theologen der Gegenwart, wird am 5. August 75 Jahre alt. Der Begründer der "Politischen Theologie" gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Theologen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil.

Einfluss der Befreiungstheologie

Er hatte Einfluss auf Entstehung und Konzeption der lateinamerikanischen Befreiungstheologie und wurde in seinen Entwürfen wiederum von dieser beeinflusst. Metz ist auch mit Wien eng verbunden. Auf Einladung des damaligen Wissenschaftsministers Erhard Busek nahm Metz ab dem Herbstsemester 1993 an der Philosophischen Fakultät der Wiener Universität eine mehrjährige Gastprofessur für Religionsphilosophie und Weltanschauungslehre an.

30 Jahre Professor in Münster

Der 1928 in der Oberpfalz geborene Metz promovierte nach Studien in Bamberg, Innsbruck und München in Philosophie und Theologie und wurde 1954 zum Priester geweiht. 1963 wurde er an die Universität Münster berufen. 30 Jahre lang lehrte er als Professor für Fundamentaltheologie in Münster, wo er bis heute wohnt.

Berater von Kardinal König

Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil war er Berater des damals von Kardinal Franz König geleiteten römischen Sekretariats für die Nichtglaubenden. Besonderen Einfluss hatte Metz als Berater der Synode der Diözesen der Bundesrepublik Deutschland von 1971 bis 1975 in Würzburg.

Gegen "Verbürgerlichung des Christentums"

Theologie ist für Metz, der immer wieder vor einer "Verbürgerlichung des Christentums" warnt, das Bemühen, den Glauben in Geschichte und Gesellschaft zu verlebendigen. Inspiriert wurde Metz auch von der sogenannten Frankfurter Schule um Theodor Adorno, Max Horkheimer und Jürgen Habermas.

Mitbegründer von „Concilium“

Seit 1983 ist Metz Beiratsmitglied des in Wien ansässigen und vom "Solidarnosc"- Berater und Papst-Freund Jozef Tischner begründeten "Instituts für die Wissenschaften vom Menschen" (IWM). Er ist Mitbegründer und -herausgeber der internationalen theologischen Zeitschrift "Concilium".

„Compassion“ vs. „Globalisierung“

Zuletzt erregte Metz Aufsehen mit seinem globalisierungskritischen Plädoyer für "Compassion" als "Schlüsselwort für das Weltprogramm des Christentums": Die christliche Gottesrede müsse ein universales Leidensgedächtnis, eine "Compassion", sein. Nur ein solcher "negativer Universalismus" verkomme nicht zu einem ideologischen Fundamentalismus.

Mystik, Gebet und Gehorsam

Gegen innerkirchliche Widerstände hatte Metz 1968 die ideologie- und gesellschaftskritischen Ansätze Ernst Blochs und der "Frankfurter Schule" in die Theologie eingeführt. Seine Forderung nach einer "Subjektwerdung" der Christen wurde von den Befreiungstheologen in Lateinamerika dankbar aufgegriffen und weitergeführt. Zugleich warnte Metz aber vor einer undialektisch vollzogenen Aufklärung, die alle Transzendenz säkularisiert und nichts mehr von Mystik, Gebet, Gehorsam und Tradition wissen will.

Bezug auf Karl Rahner

Die Entdeckung des modernen, mündigen Subjekts für die "Rede von Gott" schreibt Metz vor allem seinem Lehrer, dem Konzilstheologen Karl Rahner, zu: Dieser habe die erstarrte neuscholastische Schultheologie aufgesprengt. Metz knüpft hieran an, sprengt aber seinerseits Rahners geschichtslosen, "transzendental- idealistischen" Denkrahmen. Denn dieser habe allzu lange einen erinnernden Blick auf das grauenvolle Geschehen von Auschwitz verhindert.

Holocaust senkte „moralische Schamgrenze“

Auschwitz ist nach Einschätzung von Metz die Ursache für viele gesellschaftliche Krisen der heutigen Zeit. Der Holocaust habe die metaphysische und moralische Schamgrenze zwischen den Menschen "tief abgesenkt" und das Band der Solidarität verletzt, so der Fundamentaltheologe. Nicht nur der Mensch, auch die Idee des Menschen und der Menschheit seien offensichtlich verletzbar.

Zivilisatorisches Urvertrauen

Heutige Gewaltorgien zersetzen laut Metz das zivilisatorische Urvertrauen sowie noch vorhandene moralische und kulturelle Reserven. Dem Menschen am Beginn des 21. Jahrhunderts komme nicht nur Gott abhanden, sondern der Mensch scheine immer mehr sich selbst abhanden zu kommen, weil die Menschlichkeit abnehme. Metz fordert, den Schmerz der Erinnerung an die Shoah nicht weiter ausdünnen zu lassen. Dazu bedürfe es der Religion, aber auch der Literatur und Kunst, "die sich als Anschauungsform der Erinnerung fremden Leids versteht und verwirklicht". Alle Werke filmischer Kunst, die die Situation des Leidens und der Schuld ins Gedächtnis rufen, "tragen uns, den ins Vergessen Verliebten, den Schmerz der Erinnerung nach".

Legitimationskrise der Theologie

Zu seinem 75. Geburtstag veranstalten seine Schüler und Freunde im Oktober eine Tagung im münsterländischen Ahaus. Dabei wird es wohl auch um die Legitimationskrise der Theologie gehen, und speziell um die Krise der Politischen Theologie, die an den Lehrstühlen kaum noch vertreten ist.

 

 

 

 
Seitenanfang 
weitere News