News 18. 11. 2003

EU-Parlament stimmt über embryonale Stammzellenforschung ab

Am Mittwoch entscheidet das europäische Parlament über die umstrittene EU-Förderung von Forschung mit embryonalen Stammzellen. Der Ausgang der Abstimmung ist noch völlig offen.

Das EU-Parlament bildet sich derzeit eine Meinung darüber, ob die Forschung an embryonalen Stammzellen mit EU-Geldern gefördert werden soll. Die Meinungsunterschiede gehen quer durch alle Parteien. Am Mittwoch wird abgestimmt, am Montagabend gab es die hitzige, an Polemiken reiche Plenardebatte.

Staaten uneins

Dabei geht es im EU-Parlament eigentlich nicht um die Grundsatzfrage, ob an Embryonen geforscht werden darf - das bleibt national geregelt. Mit Jahresende läuft das derzeit geltende EU-Moratorium für embryonale Stammzellenforschung aus. Wie mit dem Thema weiter umgegangen werden soll, darüber gehen die Positionen der EU-Länder weit auseinander. Österreich, Deutschland und Italien sind für eine Verlängerung des Moratoriums, Großbritannien und die skandinavischen Ländern treten hingegen für eine umfassendere EU-Förderung ein. Seitens der EU-Kommission wurde vorgeschlagen, dass die EU-Forschung nur Stammzellen verwenden darf, die vor dem 27. Juni 2002, dem Tag der Annahme des 6. EU-Forschungsrahmenprogramms, aus Embryonen gewonnen worden waren.

Keine Steuergelder für "illegale" Forschung

Aber auch von dieser Lösung halten einige EU-Parlamentarier wenig. So betonte die deutsche Grüne Abgeordnete Hiltrud Breyer, es dürften keine europäischen Steuergelder in eine Forschung fließen, die in einigen Ländern illegal ist. Ansonsten würden etwa deutsche Steuerzahler etwas mitfördern, was in ihrer Heimat eine Straftat ist. Nur neun von 15.000 eingereichten Projekten würden sich derzeit auf Forschung an embryonalen Stammzellen beziehen. Offenbar wolle man "Embryonenforschung salonfähig machen" und einen "ethischen Dammbruch" herbeiführen, der die gesamte EU-Forschungsförderung in Misskredit bringen könnte.

Neue Chancen durch Stammzellenforschung

Ob es wohl christlich sei, "unsere Mitbürger am Weg nach Jericho im Straßengraben liegen zu lassen", statt ihnen durch Forschung an Stammzellen die Chance auf Therapien zu eröffnen, fragte der britische Konservative John Purvis Breyer sein Parlamentskollegen. "Denken Sie an die Eltern mit Parkinson, an den Teenager der vom Kopf abwärts gelähmt ist." Diesen würde man durch Forschung an embryonalen Stammzellen Chancen eröffnen, Breyer.

" Vernichtung oder Forschung"

Ein flammendes Plädoyer für die Forschung hielt der fraktionslose italienische Abgeordnete Marco Cappato. "Zehntausend" eingefrorene Embryos gebe es allein in Italien, für die es "nur zwei Alternativen gibt: Vernichtung oder Forschung". Da sei Forschung wohl besser als "der Weg in den Müll". "Völlig lächerlich" und ethisch durch nichts zu rechtfertigen sei die Einführung eines Stichtages, wie es derzeit geplant ist.

Verteidigung eines " Nazi-Arztes"

Der Beitrag Cappatos löste bei der österreichischen Abgeordneten Marilies Flemming (VP) eine heftige Reaktion aus. "Als die Eizelle Ihrer Mutter mit der Samenzelle ihres Vaters verschmolz, waren Sie schon so charmant wie jetzt", ging sie den jungen italienischen Kollegen an. "Damals waren sie schon eine Persönlichkeit." Das Argument, man müsse an Embryonen forschen, um kranken Menschen zu helfen, verglich Flemming mit der Verteidigung eines Nazi-Arztes, der die Forschung an Behinderten damit rechtfertigte, dass diese Kinder ohnehin nicht lebensfähig gewesen seien.

"Obskurantismus" und "Pseudomoral"

Arlette Laguiller von der Fraktion "Nordische Grüne Linke" bezeichnete hingegen die religiös motivierten ethischen Argumente ihrer Abgeordnetenkollegen als "Obskurantismus" und "Pseudomoral". Die Argumente gegen die "Tötung" vom Embryonen kämen "aus der politischen Ecke, die hassenswerte Kriege vertreten, wo Menschen getötet werden, nicht nur Embryonen".

Letzte Entscheidung fällen Minister

Welche Entscheidung das EU-Parlament am Mittwoch auch fällt, das letzte Wort muss der EU-Ministerrat für Wettbewerbsfähigkeit am 27. November sprechen. Das Parlament hat in dieser Frage  nur ein Anhörungs- und kein Mitentscheidungsrecht, seine Meinung hat aber angesichts der kontroversiellen öffentlichen Debatte politischen Einfluss.

Kirche: Kein "Rohstoff"

Von Kirchenvertretern wurde die Forschung an embryonalen Stammzellen in der Vergangenheit immer wieder scharf kritisiert. So ist für den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, Embryonenforschung eine "Instrumentalisierung", die menschliches Leben zu einem "Rohstoff" mache. Auch Vertreter evangelischer und orthodoxer Kirchen wandten sich immer wieder gegen die Embryonenforschung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 
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