EU-Parlament stimmt über embryonale Stammzellenforschung ab
Am Mittwoch entscheidet das europäische Parlament über die umstrittene
EU-Förderung von Forschung mit embryonalen Stammzellen. Der
Ausgang der Abstimmung ist noch völlig offen.
Das
EU-Parlament bildet sich derzeit eine Meinung darüber, ob die Forschung an
embryonalen Stammzellen mit EU-Geldern gefördert werden soll. Die
Meinungsunterschiede gehen quer durch alle Parteien. Am Mittwoch wird
abgestimmt, am Montagabend gab es die hitzige, an Polemiken reiche
Plenardebatte.
Staaten uneins
Dabei
geht es im EU-Parlament eigentlich nicht um die Grundsatzfrage, ob an
Embryonen geforscht werden darf - das bleibt national geregelt. Mit
Jahresende läuft das derzeit geltende EU-Moratorium für embryonale
Stammzellenforschung aus. Wie mit dem Thema weiter umgegangen werden soll,
darüber gehen die Positionen der EU-Länder weit auseinander. Österreich,
Deutschland und Italien sind für eine Verlängerung des Moratoriums, Großbritannien
und die skandinavischen Ländern treten hingegen für eine umfassendere EU-Förderung
ein. Seitens der EU-Kommission wurde vorgeschlagen, dass die EU-Forschung
nur Stammzellen verwenden darf, die vor dem 27. Juni 2002, dem Tag der
Annahme des 6. EU-Forschungsrahmenprogramms, aus Embryonen gewonnen worden
waren.
Keine Steuergelder für "illegale" Forschung
Aber
auch von dieser Lösung halten einige EU-Parlamentarier wenig. So betonte
die deutsche Grüne Abgeordnete Hiltrud Breyer, es dürften keine europäischen
Steuergelder in eine Forschung fließen, die in einigen Ländern illegal
ist. Ansonsten würden etwa deutsche Steuerzahler etwas mitfördern, was in
ihrer Heimat eine Straftat ist. Nur neun von 15.000 eingereichten Projekten
würden sich derzeit auf Forschung an embryonalen Stammzellen beziehen.
Offenbar wolle man "Embryonenforschung salonfähig machen" und
einen "ethischen Dammbruch" herbeiführen, der die gesamte
EU-Forschungsförderung in Misskredit bringen könnte.
Neue Chancen durch Stammzellenforschung
Ob
es wohl christlich sei, "unsere Mitbürger am Weg nach Jericho im Straßengraben
liegen zu lassen", statt ihnen durch Forschung an Stammzellen die
Chance auf Therapien zu eröffnen, fragte der britische Konservative John
Purvis Breyer sein Parlamentskollegen. "Denken Sie an die Eltern mit
Parkinson, an den Teenager der vom Kopf abwärts gelähmt ist." Diesen
würde man durch Forschung an embryonalen Stammzellen Chancen eröffnen,
Breyer.
" Vernichtung oder Forschung"
Ein
flammendes Plädoyer für die Forschung hielt der fraktionslose italienische
Abgeordnete Marco Cappato. "Zehntausend" eingefrorene Embryos gebe
es allein in Italien, für die es "nur zwei Alternativen gibt:
Vernichtung oder Forschung". Da sei Forschung wohl besser als "der
Weg in den Müll". "Völlig lächerlich" und ethisch durch
nichts zu rechtfertigen sei die Einführung eines Stichtages, wie es derzeit
geplant ist.
Verteidigung eines " Nazi-Arztes"
Der
Beitrag Cappatos löste bei der österreichischen Abgeordneten Marilies
Flemming (VP) eine heftige Reaktion aus. "Als die Eizelle Ihrer Mutter
mit der Samenzelle ihres Vaters verschmolz, waren Sie schon so charmant wie
jetzt", ging sie den jungen italienischen Kollegen an. "Damals
waren sie schon eine Persönlichkeit." Das Argument, man müsse an
Embryonen forschen, um kranken Menschen zu helfen, verglich Flemming mit der
Verteidigung eines Nazi-Arztes, der die Forschung an Behinderten damit
rechtfertigte, dass diese Kinder ohnehin nicht lebensfähig gewesen seien.
"Obskurantismus" und "Pseudomoral"
Arlette
Laguiller von der Fraktion "Nordische Grüne Linke" bezeichnete
hingegen die religiös motivierten ethischen Argumente ihrer
Abgeordnetenkollegen als "Obskurantismus" und
"Pseudomoral". Die Argumente gegen die "Tötung" vom
Embryonen kämen "aus der politischen Ecke, die hassenswerte Kriege
vertreten, wo Menschen getötet werden, nicht nur Embryonen".
Letzte Entscheidung fällen Minister
Welche Entscheidung das EU-Parlament am Mittwoch auch fällt,
das letzte Wort muss der EU-Ministerrat für Wettbewerbsfähigkeit am 27.
November sprechen. Das Parlament hat in dieser Frage nur ein Anhörungs- und kein Mitentscheidungsrecht, seine
Meinung hat aber angesichts der kontroversiellen öffentlichen Debatte
politischen Einfluss.
Kirche: Kein "Rohstoff"
Von Kirchenvertretern wurde die Forschung an
embryonalen Stammzellen in der Vergangenheit immer wieder scharf kritisiert.
So ist für den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl
Lehmann, Embryonenforschung eine "Instrumentalisierung", die
menschliches Leben zu einem "Rohstoff" mache. Auch Vertreter
evangelischer und orthodoxer Kirchen wandten sich immer wieder gegen die
Embryonenforschung.
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