News 28. 06. 2004

Papst trifft Oberhaupt der Weltorthodoxie

Am Dienstag wird der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel zum ersten katholisch-orthodoxen "Gipfel" seit neun Jahren im Vatikan erwartet.

Bartholomaios, das Ehrenoberhaupt der orthodoxen Christenheit, nimmt auf Einladung von Papst Johannes Paul II. an den Feiern zum römischen Peter-und-Paul-Patronatsfest teil.

Das bevorstehende Gipfeltreffen von Papst und Ökumenischem Patriarchen ist der siebente seit dem historischen Bruderkuss von Paul VI. und Athenagoras I. im Jänner 1964 in Jerusalem und der anschließenden Aufhebung des Bannspruchs, den Rom und Konstantinopel im Jahr 1054 gegeneinander verhängt hatten. Der römische Papst gilt als Nachfolger des Apostels Petrus, der Patriarch von Konstantinopel als jener des Apostels und Petrus-Bruders Andreas. Nach drei Begegnungen zwischen Paul VI. und Athenagoras in Jerusalem, Rom und Istanbul hatte Johannes Paul II. 1979 dem Phanar einen Besuch abgestattet, den der 1991 verstorbene Patriarch Dimitrios I. im Dezember 1987 erwiderte.  Die letzte offizielle Zusammenkunft der beiden Kirchenführer hatte im Juni 1995 in Rom stattgefunden. Im Jänner 2002 kam es zu einer weiteren Begegnung anlässlich des interreligiösen Weltfriedenstreffens in Assisi.

Konfliktfelder

1979 hatten Johannes Paul II. und Dimitrios I. die gemeinsame katholisch-orthodoxe theologische Dialogkommission eingesetzt, deren Arbeiten nach schweren Irritationen praktisch zum Stillstand gekommen sind. Die letzte Tagung fand 2000 statt. Die orthodoxe Seite wirft dem Vatikan eine "aggressive und expansive" Missionspolitik in traditionell orthodoxen Ländern und Proselytismus (Abwerben von Gläubigen) vor. Zudem gibt es Konflikte um die im früheren kommunistischen Machtbereich wieder erstandene unierte Kirche des byzantinischen Ritus, in der die Orthodoxen ein Instrument der Unterordnung unter die päpstliche Autorität sehen.

Bartholomaios: Papst kann nur "Primus inter pares" sein

Bei seinem jüngsten offiziellen Besuch in Österreich hatte Bartholomaios I. mehrere Initiativen für einen "brüderlichen Dialog" über das Verständnis des Papstamtes vorgeschlagen. Bei der Verleihung des theologischen Ehrendoktorats der Grazer Universität war der Patriarch auf die Stellung des Bischofs von Rom in der Gesamtkirche vor der Trennung eingegangen, nämlich als "Erster an Ehre unter uns und Vorsitzender der Liebe", wie Patriarch Athenagoras 1967 Paul VI. bei dessen Besuch im Phanar genannt hatte. Der trennende Unterschied liege in der Auffassung über das Papstamt und dessen (1870 proklamierten) Unfehlbarkeitsanspruch. Die orthodoxen Kirchen würden, wie Bartholomaios I. versichert hat, den Bischof von Rom auch heute - so wie in der Zeit der Einheit im ersten Jahrtausend - als "Primus inter pares" (Erster unter Gleichen) anerkennen, aber eine jurisdiktionelle Gewalt des Papsttums über die gesamte Christenheit sei für sie unannehmbar.  

Wiederaufnahme des theologischen Dialogs 

In einem Gespräch mit "Kathpress" trat Bartholomaois dafür ein, den offiziellen theologischen Dialog zwischen Rom und der Orthodoxie, der seit der letzten Dialogrunde in Baltimore im Jahr 2000 praktisch darniederliegt, wieder aufzunehmen. Metropolit Ioannis Zizioulas von Pergamon, einer der wichtigsten orthodoxen Theologen, wurde als Nachfolger des orthodoxen Erzbischofs von Australien, Stylianos, zum orthodoxen Ko-Vorsitzenden der offiziellen Dialogkommission ernannt. Laut Patriarch Bartholomaios hat Zizioulas bereits alle orthodoxen Kirchen besucht, um die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des offiziellen Dialogs mit Rom zu prüfen. Der Metropolit werde ihn auch nach Rom zur Begegnung mit Johannes Paul II. begleiten, sagte Bartholomaios I. Am 30. Juni werde es eine Arbeitssitzung zwischen Zizioulas und Kardinal Walter Kasper, dem Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, geben, bei der die konkreten Chancen für eine Fortsetzung des theologischen Dialogs behandelt werden sollen. Weder auf katholischer noch auf orthodoxer Seite gebe es den Wunsch, den theologischen Dialog abzubrechen, unterstrich Patriarch Bartholomaios I. 

"Blume des Dialogs"

Die Einladung zum Treffen mit dem Papst bezeichnete Bartholomaios I. "positiver Beitrag" zur Verbesserung der Beziehungen zwischen katholischer und orthodoxen Kirchen. Wörtlich meinte der Patriarch: "Solche Gesten sind der Humus, auf dem die Blume des Dialogs aufblühen kann".

Papst: Treffen erinnert an "unvergessliche Geste"

Papst Johannes Paul II. hat am Vorabend des katholisch-orthodoxen Gipfeltreffens mit Patriarch Bartholomaios I. am Peter-und-Paul-Fest die getrennten Christen zum intensiven Bemühen um Einheit aufgerufen. Trotz anhaltender Schwierigkeiten habe die Ökumene in den vergangenen Jahrzehnten beträchtliche Fortschritte gemacht, sagte der Papst am Sonntag laut "Kathpress". Johannes Paul II. äußerte seine große Freude über den neuerlichen Besuch des Patriarchen von Konstantinopel. In der Kirche habe sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) eine "ökumenische Sensibilität" entwickelt, sagte der Papst vor seinem Angelus-Gebet vor mehreren Zehntausend Gläubigen auf dem Petersplatz. Mit dem Ökumene-Dekret des Konzils, dessen Verabschiedung sich im kommenden November zum 40. Mal jähre, habe die Kirche die Förderung der Ökumene als eines ihrer zentralen Prinzipien proklamiert. Daran müssten alle kirchlichen Institutionen und Gemeinschaften mitwirken. Wörtlich sagte Johannes Paul II. im Hinblick auf den Besuch des Ökumenischen Patriarchen: "Wir wollen zusammen an das historische Treffen zwischen Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras I. erinnern. Sie haben sich vor 40 Jahren in Jerusalem umarmt - eine unvergessliche Geste der Brüderlichkeit und des Friedens". 

 

 

 

 

 

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Hintergrund:

- Biographie von Patriarch Bartholomaios I.

- Biographie von Papst Johannes Paul II.

- Langsame Annäherung von Katholiken und Orthodoxen

- Die "Ostkirchen"

 

 

 

 

 

 

 
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