News 16. 07. 2004

Psychoanalytiker Tilmann Moser: „Gott als Glück – Gott als Unglück“

Kann der Mensch mitunter auch an „Gottesvergiftung“ leiden? – „Ja“, sagt der Psychoanalytiker Tilmann Moser. In seiner Praxis als Therapeut sei ihm Gott immer wieder als „Unglück“ seiner Patienten begegnet. Warum er in späteren Jahren Gott auch als „Glück“ kennen gelernt hat, erzählte Moser am Freitag in Kremsmünster.

In seiner jahrzehntelangen Praxis sind dem Psychoanalytiker Tilmann Moser immer wieder Patienten begegnet, die sich vor Gott fürchteten. Durch die Frage „Was wird der liebe Gott dazu sagen“, würden sich zahlreiche Menschen unnötig belasten, so Moser. Er selbst habe daraufhin ein „negatives Bild“ von Gott entwickelt. In seinem 1976 erschienen Buch „Gottesvergiftung“ fällte Moser ein erstes Urteil über Gott.

Erbarmungsloser Gott

„Gottes Hauptkennzeichen für mich ist die Erbarmungslosigkeit“, schrieb Moser. Seit Jahren arbeitet der Psychoanalytiker mit Menschen, die Gott als „richtend“ sehen und empfinden: „Du bist ein Sünder. Du bist verdammt. Du kommst in die Hölle. Du bist schuld“. In seinem Vortrag schilderte Moser das krankmachende Gottesbild einer Patientin. Er erzählte von einer Frau, die in einer evangelischen Pfarrersfamilie aufwuchs und die Angst entwickelte, ihr Leben würde „Gott traurig machen“.

Kein Glück mit Gott

Derartige Neurosen seien keine Einzelfälle, so der Psychoanalytiker. Vor allem ältere Menschen seien betroffen, aber auch junge Menschen, die sich in streng religiösen Kreisen bewegen würden. Über sein eigenes Verhältnis zu Gott sagte Moser: „Ich habe mit Gott kein Glück gehabt.“ Er selbst habe in seiner Jugend an „Gottesvergiftung“ gelitten. Bei ihm war es das Bild von einem „übermächtigen Gott“, der Schuldgefühle und Selbstverachtung hervor gerufen habe.

Positives Gottesbild

Erst Jahrzehnte später habe er durch Erfahrungen mit Patienten erkannt, dass es in den Menschen auch „gesundes Potential an Religiosität“ gibt. Diese finde sich fern aller Verdammnis- und Erlösungstheologie des Christentums. Neue Studien hätten zudem gezeigt, dass der Glaube an Gott eine Heilung fördern könne. Wichtig sei das Vermitteln eines „positiven Gottesbildes“. Auch wenn Gott für viele Menschen nur eine „Projektion“ sei, so wirke diese dennoch als „seelische Realität“.

 

 

 

 

>> Programm der Ökumenischen Sommerakademie Kremsmünster

 

 

 

 

 

 

 
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