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News 02. 08.
2004 |
Anschlagsserie auf christliche
Kirchen im Irak
Bei einer Serie von sechs
Autobombenanschlägen auf christliche Kirchen im Irak sind am Sonntag
mehrere Menschen getötet worden. Die irakische Regierung verurteilte die
Anschläge ebenso wie der Papst.
Die Anschläge in Bagdad waren gegen die armenische Kirche in Karada, die nahe gelegene syrisch-othodoxe Kirche, die Peter-und- Paul-Kirche in El Dura, die Chaldäische Kirche im Osten Bagdads sowie eine christliche Kirche in Mossul gerichtet. Bei den Explosionen vor den Kirchen in Bagdad und Mossul waren am Sonntag 10 Menschen getötet worden. Bei mindestens zwei der Attentate handelte es sich laut Sicherheitskreisen um Selbstmordanschläge. Vier Anschläge erfolgten innerhalb einer halben Stunde während der Sonntagabendmessen. Für die Christen im Irak ist dies der am häufigsten besuchte Gottesdienst, da der Sonntag in dem islamischen Land ein Werktag ist. Regierung: Taten von Feinden
des Islam
Die
irakische Regierung hat am Montag die Anschläge auf christliche Kirchen in
Bagdad und Mossul vom Vortag scharf verurteilt. Es handle sich um
"feige Akte von Feinden des Islams und des Iraks", erklärte der
nationale Sicherheitsberater Muwaffak el Rabaie im arabischen
Nachrichtensender El Dschasira. "Alle Anzeichen deuten darauf hin, dass
(der jordanische Top-Terrorist) Abu Mussab el Sarkawi dafür verantwortlich
zu machen ist", fügte er hinzu. Die Attentate am Sonntag waren die
ersten Anschläge seit dem US-Einmarsch vor 16 Monaten gegen die
christlichen Gemeinden im Irak. Von den rund 24 Millionen Einwohnern des
Landes sind etwa 800.000 Christen. Schiietenführer: "kriminelle Kampagne"Die höchste geistliche Autorität der Schiiten im Irak, Großayatollah Ali Sistani, hat die Bombenanschläge auf christliche Gotteshäuser vom Sonntag in scharfen Worten verurteilt. Die Anschlagsserie sei eine "kriminelle Kampagne", die sich gegen die Einheit, Stabilität und Unabhängigkeit des Irak richte, erklärte der Großayatollah am Montag in Najaf. "Wir verurteilen und prangern diese fürchterlichen Verbrechen an. Regierung und Volk müssen zusammenarbeiten, um den Angriffen auf Iraker ein Ende zu bereiten", so Sistani. Die Rechte der Christen im Irak müssten respektiert werden, ebenso wie die anderer Glaubensrichtungen, sagte Großayatollah Sistani. Sie alle hätten das Recht, "in ihrer Heimat Irak friedlich zu leben". Papst-Telegramm an PatriarchenPapst Johannes Paul II. hat die Anschläge auf Kirchen im Irak scharf verurteilt und zugleich an die Muslime appelliert, sich von Gewaltakten zu distanzieren. In einem am Montag veröffentlichten persönlichen Telegramm an den chaldäisch-katholischen Patriarchen von Bagdad, Emmanuel III. Delly, schrieb der Papst, die Nachricht von den Anschlägen auf die Kirchen in Bagdad und Mossul habe ihn "tief getroffen". Er sei den Gläubigen in diesem Augenblick schmerzhafter Prüfung besonders nahe. Zugleich versicherte er die irakischen Christen und ihre Geistlichen seines Gebets und seines fortgesetzten Einsatzes für Frieden und Versöhnung "in diesem geliebten Land". Appell an Christen und MuslimeMit Blick auf die muslimische Mehrheit erklärte der Papst in dem Telegramm, er hoffe, dass alle, die an den einzigen, gütigen und barmherzigen Gott glauben, sich der Verurteilung der Gewalt anschließen. Sie alle müssten sich gemeinsam für eine Rückkehr der Eintracht in dem leidgeprüften Land einsetzen. Etchegaray: Den Irak nicht
allein lassen
Der
französische Kurienkardinal Roger Etchegaray, Ex-Irak-Emissär des Papstes,
hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, auf die Kirchenanschlägen
im Irak vom Sonntag zu reagieren. "Wir können das irakische Volk und
die christliche Gemeinschaft nicht in einer derart katastrophalen Lage
alleine lassen", sagte Etchegaray in einem Interview mit der römischen
Tageszeitung "La Repubblica" (Montag-Ausgabe). "Ich hoffe,
dass die Nachricht von dieser Katastrophe die internationale Gemeinschaft
dazu bewegen wird, mit Kraft, aber auch mit solidarischem Geist, zu
reagieren. Der französische Kardinal und ehemalige Erzbischof von Marseille
reiste in den vergangenen Jahren als Gesandter des Papstes unter anderem in
den Iran, den Irak und den Libanon. Patriarch Delly: "Anschlag trifft alle Iraker"Der chaldäisch-katholische Patriarch von Bagdad, Emmanuel III. Delly, verurteilte die Bombenanschläge gegen Kirchen als Attentate auf das gesamte irakische Volk. Im Gespräch mit dem kirchlichen Nachrichtendienst "AsiaNews" betonte der Patriarch, es gebe nur "eine irakische Familie", sie bestehe aus Christen und aus Muslimen. Die Anschläge hätten alle getroffen, insbesondere die Zivilbevölkerung, erklärte der Patriarch. Emmanuel III. berichtete, zahlreiche Persönlichkeiten der islamischen Welt hätten ihm nach den blutigen Ereignissen ihr Beileid und ihre Solidarität übermittelt. Der Patriarch betonte, die christliche Minderheit dürfe trotz der tragischen Ereignisse nicht verzagen, sie werde weiter zusammen mit den Muslimen für den Frieden beten. Armenische Kirche: Situation im Irak nicht isoliert sehen"Dies ist das erste Mal, dass christliche Kirchen zum Ziel von Anschlägen geworden sind. Wir verurteilen diese Angriffe und sind sehr besorgt über die Entwicklung", sagte Bischof Nareg Alemezian von der armenisch-apostolischen Kirche (Katholikat von Sis) am Montag bei der Plenarsitzung der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Weltkirchenrats (ÖRK), die zur Zeit in Kuala Lumpur (Malaysia) tagt. Die Situation im Irak könne nicht isoliert gesehen werden. Sie sei eng verknüpft mit der politischen Situation weltweit. Die USA, die UNO, aber auch die Bevölkerung vor Ort und die Glaubensgemeinschaften seien zur Mitarbeit aufgerufen. Aufruf zum DialogMetropolit Mar Gregorios Youhanna Ibrahim von der syrisch-orthodoxen Kirche appellierte aus Kuala Lumpur an Christen und Muslime, gemeinsam für den Frieden zu arbeiten: "Solidarität ist sehr wichtig, sowohl in der Region als auch außerhalb, sowohl unter den Christen als auch zwischen Christen und Muslimen". Mar Gregorios betonte, dass der Weltkirchenrat alle Initiativen unterstützen sollte, die Christen und Muslime zusammen bringen - "nicht nur im theologischen Dialog, sondern auch im Dialog über Leben und Arbeit". Wörtlich sagte der syrisch-orthodoxe Bischof: "Ich richte meinen Appell an die arabische Welt, die jeden Friedensplan unterstützen kann, und auch an das irakische Volk selbst". Christen gut integriertMar Gregorios und Bischof Nareg Alemezian betonten das gute Verhältnis zwischen Christen und Muslimen im Irak vor den Bombenanschlägen. "Die Christen sind ein integraler Bestandteil der Gesellschaft, in der sie leben. Sie sind keine Neulinge", sagt Alemezian. "Die Christen im Nahen Osten sind das Volk des Landes, in dem Christus geboren wurde", ergänzte er. Die beiden Bischöfe betonten die Gefahr des wachsenden Drucks der rund einen Million irakischer Christen, der zur verstärkten Emigration führe. "Die abnehmende Zahl der Christen im Irak ist eine furchtbare Angelegenheit", sagt Mar Gregorios. "Das gleiche Bild wiederholt sich in anderen Ländern wie der Türkei, im Iran und Palästina. Wir verlieren unser Volk". In letzter Konsequenz könnte die Vertreibung der Christen aus dem Nahen Osten auch zu einer Vertreibung der muslimischen Immigranten aus Europa führen.
Hintergrund: - Seit fast 2000 Jahren leben Christen im Irak
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