News 13. 10. 2004

Böckenförde: Kopftuchverbot trifft auch Kreuz und Kippa

Der deutsche katholische Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde sieht keine Chance für das Land Baden-Württemberg, muslimischen Lehrerinnen das Kopftuch zu verbieten, Ordensleuten ihre Tracht im Unterricht jedoch zu erlauben.

Für Böckenförde zeigt das jüngste Urteil des deutschen Bundesverwaltungsgerichts, dass es bei einem Verbot religiöser Symbole keine Ausnahmen geben könne. In einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" sagte der ehemalige Richter am Bundesverfassungsgericht, ein Verbot treffe "das Kopftuch und das Ordensgewand, das Kreuz am Revers und die jüdische Kippa". Baden-Württemberg stecke nun in dem Dilemma, vor dem er gewarnt habe, so Böckenförde. Wenn das Land sein eigenes Schulgesetz ernst nehme, müsse es auch den Nonnenhabit in der Schule verbieten. Die von der württembergischen Landesregierung vorgebrachte Erklärung, das Ordenskleid sei kein individuelles Bekenntnis, sondern eine Berufskleidung, beleidige alle Ordensleute. Wer dies behaupte, "sollte sich über den Ritus der Einkleidung informieren".

Muslimische Lehrerinnen könnten klagen

Sollten in Baden-Württemberg die beiden muslimischen Lehrkräfte, die derzeit mit Kopftuch unterrichten, zum Verzicht aufgefordert werden, könnten sie wegen Diskriminierung klagen, solange nicht auch alle Nonnen den Schleier ablegen müssten, betonte der Jurist. Er appellierte an die deutschen Bundesländer, von einem generellen Verbot Abstand zu nehmen. Dies müsse nicht heißen, alles zu erlauben. So könnten auch Maßstäbe für konkrete Konfliktfälle oder ein Erlaubnisvorbehalt formuliert werden. Klarheit in den Kopftuchstreit werde aber wohl erst dann kommen, wenn das deutsche Bundesverfassungsgericht erneut mit der Frage befasst werde, betonte Böckenförde in dem Gespräch.

Verwaltungsgerichtshof: Keine Ausnahmen 

Anlass für die Debatte um religiöse Bekleidungsvorschriften in den Schulen Baden-Württembergs war die aus Afghanistan stammenden Lehrerin Fereshta Ludin gewesen, der die Aufnahme in die Lehrerschaft verweigert worden war, weil sie das muslimische Kopftuch nicht ablegen wollte. Nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes im vergangenen Jahr regelte man in dem süddeutschen Bundesland das Kopftuch-Verbot per Gesetzesbeschluss. Dieses Gesetz befand das Bundesverwaltungsgericht zwar nun für zulässig, interpretierte es aber so, dass Lehrer und Lehrerinnen "in der Schule keine Kleidung oder sonstige Zeichen tragen dürfen, die ihre Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaften erkennen lassen". Damit ist die von der Baden-Württembergischen Kultusministerin Annette Schavan (CDU) angepeilte Ausnahme für die Ordenstracht christlicher Nonnen, vermutlich nicht zulässig. In der Urteilsbegründung, die vor kurzem veröffentlicht wurde, heißt es: "Ausnahmen für bestimmte Formen religiös motivierter Kleidung in bestimmten Regionen" kämen "nicht in Betracht" .

 

 

 

 

 

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