Unbefleckte Empfängnis: Ein
großer Gedanke und Missverständnisse
Vor 150 Jahren wurde von Papst
Pius IX. das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis feierlich proklamiert.
Die Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens erfolgte 1854 am 8.
Dezember, dem Hochfest der "ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und
Gottesmutter Maria". Pius IX. verkündete damit keine neue Lehre,
sondern erhob eine seit dem Frühchristentum verbreitete Glaubensüberzeugung
in den Rang eines Dogmas.
Das Dogma
besagt, dass Maria vom ersten Augenblick ihrer Existenz (der Empfängnis) an
- im Hinblick auf ihre Aufgabe als Mutter des Erlösers - aus der
allgemeinen Schuldverflochtenheit (der "Erbsünde") ausgenommen
war. Die "Erbsünde" wird in der katholischen Theologie als
Schuldzusammenhang gesehen, in den alle Menschen hineingeboren werden.
Assoziationen mit dem sexuellen
Bereich
Die
lateinische Bezeichnung des Dogmas "Immaculata Conceptio" erschließt
den Sinn besser als die oft missverstandene "Unbefleckte Empfängnis".
Die "Conceptio" verweist auf "Konzept": In Maria wurde
das ursprüngliche, von der Sünde nicht verdunkelte Konzept Gottes vom
Menschen verwirklicht. Im deutschsprachigen Bereich hat die Bezeichnung
"Unbefleckte Empfängnis" dazu geführt, dass bis in Kreise mehr
oder minder frommer Katholiken hinein Assoziationen mit dem sexuellen
Bereich hergestellt werden.
Keine „Jungfrauengeburt“
150 Jahre nach
der Proklamation bedarf das Dogma einer neuen katechetischen Anstrengung, um
etwa die irrtümliche Annahme zu überwinden, dass mit dem Immaculata-Fest
am 8. Dezember die Jungfrauengeburt gefeiert wird. Manche knüpfen daran die
Frage, ob denn Zeugung "etwas Beflecktes sei, ob wir alle Resultate der
Sünde sind". Kardinal Christoph Schönborn sagte dazu im Vorjahr beim
Hochamt zum 8. Dezember im Wiener Stephansdom: "Maria ist von ihren
Eltern wie jedes Menschenkind gezeugt und empfangen worden. Die
geschlechtliche Vereinigung, der wir unser Dasein verdanken, ist nicht etwas
'Beflecktes', eine Schande oder eine Sünde. Sonst hätte Gott nicht den
Menschen als Mann und Frau geschaffen, füreinander und zur Weitergabe des
Lebens".
1854 war kirchenpolitisch
unruhige Zeit
Historisch
gesehen fiel die Verkündigung des Dogmas 1854 in eine überaus unruhige
Zeit. Die Kirche war vom herrschenden Liberalismus in die Ecke gedrängt und
reagierte mit einer Wagenburg-Mentalität. Pius IX. musste nach der
Ausrufung der Republik in Rom im November 1848 nach Gaeta fliehen. Er konnte
erst 1850 mit Hilfe französischer Truppen wieder zurückkehren.
Große Wirkung in der
Weltkirche
Die Verkündigung
des Dogmas hatte große Wirkung in der Weltkirche. Das Kernland der
Popularisierung war vorerst Frankreich mit der von der später heilig
gesprochenen Catherine Laboure begründeten Immaculata-Verehrung. Catherine
Laboure war in der Nacht zum 19. Juli und zum 27. November 1830 in ihrem
Kloster in der Pariser Rue du Bac die Gottesmutter erschienen. Wie sie
berichtete, sei Maria auf der Weltkugel gestanden; in einem Halbkreis sei zu
lesen gewesen: "O Maria, ohne Makel der Erbsünde empfangen, bitte für
uns, die wir unsere Zuflucht zu dir nehmen". Dieses Bild erlangte große
Symbolkraft. Die Medaille von der Erscheinung in der Rue du Bac verbreitete
sich weltweit und ist bis heute in ungezählten Portemonnaies zu finden.
Marienerscheinungen
Vier Jahre
nach der Proklamation des Dogmas kam es zu den Marienerscheinungen in der
Grotte von Massabielle außerhalb von Lourdes. Dort "sah" eine
jugendliche Hausgehilfin aus ärmlichsten Verhältnissen, die später
ebenfalls heilig gesprochene Bernadette Soubirous, zwischen dem 11. Februar
und dem 16. Juli 1858 insgesamt 18 Mal die Gottesmutter. Die
Selbstbezeichnung der "Dame", die Soubirous in der Grotte erschien
("Je suis l'Immaculee Conception"/Ich bin die Unbefleckte Empfängnis),
wurde damals schon allgemein als Bestätigung des Dogmas aufgefasst. Das neu
entstehende Heiligtum von Lourdes wurde konsequenterweise auch der
Immaculata geweiht. Es sollte innerhalb von wenigen Jahren zum größten
Marienheiligtum Europas werden.
Ursprünge reichen weit zurück
Die Ursprünge
des mit dem Dogma verbundenen Festes "Mariä Empfängnis" (8.
Dezember) reichen mehr als 1.000 Jahre zurück. Der christliche Osten
feierte das Fest an manchen Orten schon seit dem 10. bis 12. Jahrhundert. Im
Westen führte es Anselm von Canterbury um 1100 für seine Diözese ein. Der
Franziskaner Duns Scotus (1265-1308) gilt als Urheber der "Immaculata-Lehre".
Im 17. Jahrhundert setzten sich viele Orden, vor allem die Jesuiten, für
die Immaculata-Lehre ein. Durch die Jesuiten wurde auch Kaiser Ferdinand
III. zu seinem berühmten Immaculata-Gelübde 1645 motiviert.
Eroberung Wiens befürchtet
Als damals in
den Jahren des Dreißigjährigen Krieges die Eroberung Wiens durch das
schwedische Heer befürchtet werden musste, gelobte der Kaiser, das Fest
"Mariä Empfängnis" in seinen Territorien einzuführen und auf
einem öffentlichen Platz Wiens eine Mariensäule aufzustellen. Tatsächlich
blieb Wien vor einer Erstürmung durch die Schweden verschont, und am 18.
Mai 1647 zog eine große Prozession von der Augustinerkirche zum Platz
"Am Hof", wo der Kaiser die Mariensäule aufstellen ließ.
Wiedereinführung des
Feiertages
In der NS-Zeit
wurde der Feiertag am 8. Dezember abgeschafft. Nach Ende des Krieges führte
eine von hunderttausenden Österreichern getragene Unterschriften-Aktion zur
Wiedereinführung des Feiertages. Der Nationalrat beschloss im Jahr 1955,
dass der 8. Dezember wieder als Feiertag begangen werden soll - als Dank für
die wiederlangte Freiheit Österreichs. Die damalige Wiedereinführung des
Feiertags ist eng mit dem Namen des seinerzeitigen ÖVP-Nationalratsabgeordneten
Franz Kranebitter verbunden: Er hatte im Hohen Haus regelrechte
"Missionsaktionen" veranstaltet, um seine Abgeordneten-Kollegen für
die Sache zu gewinnen.
Debatten
In den
vergangenen Jahren hat die Erlaubnis zum Offenhalten der Geschäfte am 8.
Dezember immer wieder für Debatten gesorgt. "Es tut weh, hinauszugehen
und zu sehen, was aus dem 8. Dezember geworden ist", sagte dazu
Kardinal Schönborn im Vorjahr beim Hochamt zum Fest Mariä Empfängnis. Der
Wiener Erzbischof appellierte an die Katholiken, "trotzdem dankbar
dieses Fest zu feiern und sich mitten im Trubel bewusst auf die Stille zu
besinnen".
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