News 30. 11. 2004

Unbefleckte Empfängnis: Ein großer Gedanke und Missverständnisse

Vor 150 Jahren wurde von Papst Pius IX. das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis feierlich proklamiert. Die Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens erfolgte 1854 am 8. Dezember, dem Hochfest der "ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria". Pius IX. verkündete damit keine neue Lehre, sondern erhob eine seit dem Frühchristentum verbreitete Glaubensüberzeugung in den Rang eines Dogmas.

Das Dogma besagt, dass Maria vom ersten Augenblick ihrer Existenz (der Empfängnis) an - im Hinblick auf ihre Aufgabe als Mutter des Erlösers - aus der allgemeinen Schuldverflochtenheit (der "Erbsünde") ausgenommen war. Die "Erbsünde" wird in der katholischen Theologie als Schuldzusammenhang gesehen, in den alle Menschen hineingeboren werden.

Assoziationen mit dem sexuellen Bereich

Die lateinische Bezeichnung des Dogmas "Immaculata Conceptio" erschließt den Sinn besser als die oft missverstandene "Unbefleckte Empfängnis". Die "Conceptio" verweist auf "Konzept": In Maria wurde das ursprüngliche, von der Sünde nicht verdunkelte Konzept Gottes vom Menschen verwirklicht. Im deutschsprachigen Bereich hat die Bezeichnung "Unbefleckte Empfängnis" dazu geführt, dass bis in Kreise mehr oder minder frommer Katholiken hinein Assoziationen mit dem sexuellen Bereich hergestellt werden.

Keine „Jungfrauengeburt“

150 Jahre nach der Proklamation bedarf das Dogma einer neuen katechetischen Anstrengung, um etwa die irrtümliche Annahme zu überwinden, dass mit dem Immaculata-Fest am 8. Dezember die Jungfrauengeburt gefeiert wird. Manche knüpfen daran die Frage, ob denn Zeugung "etwas Beflecktes sei, ob wir alle Resultate der Sünde sind". Kardinal Christoph Schönborn sagte dazu im Vorjahr beim Hochamt zum 8. Dezember im Wiener Stephansdom: "Maria ist von ihren Eltern wie jedes Menschenkind gezeugt und empfangen worden. Die geschlechtliche Vereinigung, der wir unser Dasein verdanken, ist nicht etwas 'Beflecktes', eine Schande oder eine Sünde. Sonst hätte Gott nicht den Menschen als Mann und Frau geschaffen, füreinander und zur Weitergabe des Lebens".

1854 war kirchenpolitisch unruhige Zeit

Historisch gesehen fiel die Verkündigung des Dogmas 1854 in eine überaus unruhige Zeit. Die Kirche war vom herrschenden Liberalismus in die Ecke gedrängt und reagierte mit einer Wagenburg-Mentalität. Pius IX. musste nach der Ausrufung der Republik in Rom im November 1848 nach Gaeta fliehen. Er konnte erst 1850 mit Hilfe französischer Truppen wieder zurückkehren.

Große Wirkung in der Weltkirche

Die Verkündigung des Dogmas hatte große Wirkung in der Weltkirche. Das Kernland der Popularisierung war vorerst Frankreich mit der von der später heilig gesprochenen Catherine Laboure begründeten Immaculata-Verehrung. Catherine Laboure war in der Nacht zum 19. Juli und zum 27. November 1830 in ihrem Kloster in der Pariser Rue du Bac die Gottesmutter erschienen. Wie sie berichtete, sei Maria auf der Weltkugel gestanden; in einem Halbkreis sei zu lesen gewesen: "O Maria, ohne Makel der Erbsünde empfangen, bitte für uns, die wir unsere Zuflucht zu dir nehmen". Dieses Bild erlangte große Symbolkraft. Die Medaille von der Erscheinung in der Rue du Bac verbreitete sich weltweit und ist bis heute in ungezählten Portemonnaies zu finden.

Marienerscheinungen

Vier Jahre nach der Proklamation des Dogmas kam es zu den Marienerscheinungen in der Grotte von Massabielle außerhalb von Lourdes. Dort "sah" eine jugendliche Hausgehilfin aus ärmlichsten Verhältnissen, die später ebenfalls heilig gesprochene Bernadette Soubirous, zwischen dem 11. Februar und dem 16. Juli 1858 insgesamt 18 Mal die Gottesmutter. Die Selbstbezeichnung der "Dame", die Soubirous in der Grotte erschien ("Je suis l'Immaculee Conception"/Ich bin die Unbefleckte Empfängnis), wurde damals schon allgemein als Bestätigung des Dogmas aufgefasst. Das neu entstehende Heiligtum von Lourdes wurde konsequenterweise auch der Immaculata geweiht. Es sollte innerhalb von wenigen Jahren zum größten Marienheiligtum Europas werden.

Ursprünge reichen weit zurück

Die Ursprünge des mit dem Dogma verbundenen Festes "Mariä Empfängnis" (8. Dezember) reichen mehr als 1.000 Jahre zurück. Der christliche Osten feierte das Fest an manchen Orten schon seit dem 10. bis 12. Jahrhundert. Im Westen führte es Anselm von Canterbury um 1100 für seine Diözese ein. Der Franziskaner Duns Scotus (1265-1308) gilt als Urheber der "Immaculata-Lehre". Im 17. Jahrhundert setzten sich viele Orden, vor allem die Jesuiten, für die Immaculata-Lehre ein. Durch die Jesuiten wurde auch Kaiser Ferdinand III. zu seinem berühmten Immaculata-Gelübde 1645 motiviert.

Eroberung Wiens befürchtet

Als damals in den Jahren des Dreißigjährigen Krieges die Eroberung Wiens durch das schwedische Heer befürchtet werden musste, gelobte der Kaiser, das Fest "Mariä Empfängnis" in seinen Territorien einzuführen und auf einem öffentlichen Platz Wiens eine Mariensäule aufzustellen. Tatsächlich blieb Wien vor einer Erstürmung durch die Schweden verschont, und am 18. Mai 1647 zog eine große Prozession von der Augustinerkirche zum Platz "Am Hof", wo der Kaiser die Mariensäule aufstellen ließ.

Wiedereinführung des Feiertages

In der NS-Zeit wurde der Feiertag am 8. Dezember abgeschafft. Nach Ende des Krieges führte eine von hunderttausenden Österreichern getragene Unterschriften-Aktion zur Wiedereinführung des Feiertages. Der Nationalrat beschloss im Jahr 1955, dass der 8. Dezember wieder als Feiertag begangen werden soll - als Dank für die wiederlangte Freiheit Österreichs. Die damalige Wiedereinführung des Feiertags ist eng mit dem Namen des seinerzeitigen ÖVP-Nationalratsabgeordneten Franz Kranebitter verbunden: Er hatte im Hohen Haus regelrechte "Missionsaktionen" veranstaltet, um seine Abgeordneten-Kollegen für die Sache zu gewinnen.

Debatten

In den vergangenen Jahren hat die Erlaubnis zum Offenhalten der Geschäfte am 8. Dezember immer wieder für Debatten gesorgt. "Es tut weh, hinauszugehen und zu sehen, was aus dem 8. Dezember geworden ist", sagte dazu Kardinal Schönborn im Vorjahr beim Hochamt zum Fest Mariä Empfängnis. Der Wiener Erzbischof appellierte an die Katholiken, "trotzdem dankbar dieses Fest zu feiern und sich mitten im Trubel bewusst auf die Stille zu besinnen".

 

 

 

 

 
Seitenanfang 
weitere News