Papst-Tod:
Weltweite Betroffenheit
In
Polen herrscht tiefe Trauer, in Kuba wurde Staatstrauer angeordnet, die offizielle katholische Kirche Chinas
hat ihr „tiefes Beileid“ ausgesprochen, Israel trauert um den „Papst
der Juden“, und auch die russisch-orthodoxe Kirche hat ihre Trauer zum
Ausdruck gebracht.
Staats-
und Parteichef Fidel Castro hat nach dem Tod von Papst Johannes Paul II.
eine dreitägige Staatstrauer auf Kuba angeordnet. Der Verstorbene sei ein
"Freund Kubas" gewesen, erklärte Castro in der Nacht auf Sonntag.
Botschaft an Gläubige
Castro
erlaubte auch zum zweiten Mal innerhalb von zwei Tagen Kardinal Jaime
Ortega, dem Erzbischof von Havanna, eine Botschaft an die Gläubigen der
Karibikinsel über das vom kommunistischen Regime kontrollierte staatliche
Fernsehen zu verbreiten.
Historischer Besuch
Der
verstorbene Papst hatte Kuba im Jänner 1998 einen historischen Besuch
abgestattet. Vor etwa drei Monaten hatte Johannes Paul II. einen Appell an
die USA gerichtet, das Wirtschaftsembargo gegen die Insel aufzuheben, das
eine "wirkliche Entwicklung" in Kuba verhindere.
Beileid, Respekt und Solidarität
Kubas
Außenminister Felipe Perez Roque verlas sichtlich bewegt im Fernsehen eine
Botschaft des "Beileids, des Respekts und der Solidarität gegenüber
der katholischen Gemeinschaft in Kuba und der übrigen Welt". Kuba habe
Johannes Paul II. immer als Freund betrachtet, der sich für die Armen
eingesetzt und der gegen den Neoliberalismus sowie für den Frieden gekämpft
habe.
Laut
der Missionsagentur Misna schickte Castro an Vatikan-Staatssekretär
Kardinal Angelo Sodano eine Kondolenzbotschaft. Unmittelbar
nach der Bekanntgabe des Todes des Papstes fanden sich Hunderte Gläubige in
der Kathedrale der Hauptstadt Havanna und in vielen anderen Städten zum
Gebet ein.
China:
"Tiefes Beileid"
Die
offizielle katholische Kirche Chinas, die den Papst nicht als Oberhaupt
anerkennt, hat am Sonntag ihr "tiefes Beileid" zum Tod von
Johannes Paul II. übermittelt. Die Katholische Patriotische Vereinigung
Chinas und die Bischofsversammlung schickten nach Angaben der amtlichen
Nachrichtenagentur Xinhua ein Telegramm an den Vatikan. Darin war von einem
"großen Verlust" für die Seelsorge und Glaubensarbeit der Kirche
weltweit die Rede. "Im Namen von mehr als fünf Millionen Gläubigen
und der Geistlichen der katholischen Kirche in China sprechen wir aufrichtig
unser tiefes Beileid aus." Sie wollten für den Papst beten, damit Gott
ihn "auf ewig belohnt".
Untergrund
Neben
der offiziellen "patriotischen" Kirche gibt es in China noch schätzungsweise
zwölf Millionen Katholiken, die loyal zum Papst stehen, aber immer wieder
Ziel staatlicher Verfolgung sind und häufig im Untergrund leben. Nach der
kommunistischen Machtübernahme 1949 hatte Peking die Beziehungen zum
Vatikan 1951 abgebrochen und fordert seither von den Katholiken, ihrem
Glauben nur innerhalb der staatlichen Kirche nachzugehen, die die Autorität
des Papstes nicht anerkennt und selbst Bischöfe ernennt. Allerdings ist die
religiöse Bedeutung des Papstes auch unter den Gläubigen der offiziellen
Kirche in China unstrittig.
Russisch-orthodoxe
Kirche trauert
Nach
stundenlangem Schweigen hat schließlich auch die russisch-orthodoxe Kirche
am Sonntagmorgen ihre Trauer über den Tod von Papst Johannes Paul II. zum
Ausdruck gebracht. In einer auf ihrer Internetseite veröffentlichten Erklärung
unterstrich sie gleichzeitig, sie hoffe, das Andenken an den Papst werde
dabei helfen, die Schwierigkeiten zwischen ihr und dem Heiligen Stuhl zu überwinden.
Schwierige Beziehungen
Die
Oberhäupter der russisch-orthodoxen und der römisch-katholischen Kirche
unterhielten seit jeher äußerst schwierige Beziehungen miteinander:
Patriarch Alexi II. warf dem Vatikan vor, seine Gläubigen bekehren zu
wollen. Noch am Samstag hatte ein Vertreter des Außenamts des Patriarchen,
Igor Wyschanow, gegenüber der Nachrichtenagentur RIA-Nowosti geklagt, das
Hauptproblem zwischen den beiden Kirchen liege in den Versuchen der
Katholiken, in Russland und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken zu
"missionieren". Bis zuletzt hatte sich Patriarch Alexi II. Plänen
des Papstes zu einem Besuch in Russland widersetzt.
Muslime und Buddhisten
Bereits
Stunden vor der russisch-orthodoxen Kirche hatten die Führer der Muslime
und der Buddhisten in Russland sowie Präsident Wladimir Putin, kondoliert.
Mufti Rawil Gaynutdin würdigte den verstorbenen Papst am Sonntagmorgen als
"einzigen katholischen Führer, der sich für die Kreuzzüge
entschuldigte". Nach den Worten des höchsten buddhistischen Würdenträgers
in Russland, Bandido Chambo-lama Damba Ajuschew, setzte sich der Papst stets
für "Frieden und allgemeingültige menschliche Werte ein, die von
allen Religionen geteilt werden". Putin bezeichnete Johannes Paul II.
als eine "herausragende Persönlichkeit unserer Zeit, mit dem eine
ganze Ära verknüpft" sei.
Israel
trauert um "Papst der Juden"
Große
Anteilnahme nach dem Tod des Papstes war am Sonntagmorgen auch in Israel zu
spüren. Wie der Korrespondent des italienischen TV-Senders RAI in einer
Live-Schaltung mit Rom erklärte, habe die Nachricht vom Tod des
katholischen Kirchenoberhauptes auch in Jerusalem Betroffenheit ausgelöst.
Viele Menschen auf den Straßen trauerten um den Papst, manche bezeichneten
den Verstorbenen gar als "Papst der Juden", ein Begriff, der noch
vor 20 Jahren als undenkbar gegolten hätte.
Entschuldigung für historische Verbrechen
Der
Papst, der weltweit "auch 'post mortem' für den Frieden
arbeitet", so der RAI-Kommentator aus Jerusalem, war das erste
Oberhaupt der katholischen Kirche, der ein jüdisches Gotteshaus, nämlich
die Synagoge in Rom, besuchte. Im Zusammenhang mit diesem in fast 2.000
Jahren Kirchengeschichte einmaligen Ereignis am 13. April 1986 entschuldigte
sich der Papst auch erstmals - und in der Folge mehrmals - für die
Verantwortung der katholischen Kirche an den historischen Verbrechen gegen
die Juden.
Klagemauer
Historisch
war sein Besuch im Jahr 2000 in Israel: An der Klagemauer in Jerusalem bat
er ebenfalls um Vergebung für die Judenverfolgung. Auch in Österreich
setzte Papst Johannes Paul II. ein Zeichen für die Annäherung der beiden
Religionen: Im Juni 1988 besuchte er in Wien die Israelitische
Kultusgemeinde.
Trauer in Lateinamerika und Deutschland
Hunderttausende
Menschen in ganz Lateinamerika trauern um den verstorbenen Papst Johannes
Paul II. Als die Glocken der Kirchen und Kathedralen von Mittel- und Südamerika
läuteten, um den Tod des Papstes zu verkünden, strömten die Gläubigen
zum Gebet in die Kirchen. In Lateinamerika leben rund 500 Millionen
Katholiken, fast die Hälfte aller Anhänger des katholischen Glaubens
weltweit. Der Papst war hier ein oft und gern gesehener Gast. 21 Reisen führten
ihn im Laufe seines Pontifikats in die Region.
Fidel Castro ordnet Staatstrauer an
Selbst im
kommunistischen und offiziell atheistischen Kuba ordnete die Regierung eine
dreitägige Staatstrauer an. Der
verstorbene Papst hatte Kuba im Jänner 1998 einen historischen Besuch
abgestattet. Vor etwa drei Monaten hatte Johannes Paul II. einen Appell an
die USA gerichtet, das Wirtschaftsembargo gegen die Insel aufzuheben, das
eine „wirkliche Entwicklung“ in
Kuba verhindere.
Gedenkminute bei Fußballspiel
Auch andere
lateinamerikanische Staaten, darunter Paraguay, Peru, Costa Rica und Chile,
haben bis zu fünf Tage Staatstrauer ausgerufen. Im Stadion der chilenischen
Hauptstadt Santiago erhoben sich rund 5000 Zuschauer eines Fußballspiels zu
einer Gedenkminute an den Papst. In ganz Lateinamerika wurden zahlreiche öffentliche
Veranstaltungen und Sportwettkämpfe abgesagt.
„Ich gehe, aber ich verlasse Euch
nicht“
In Mexiko, das fast
ebenso viele Katholiken wie Einwohner zählt, füllen zehntausende Gläubige
die Kirchen des Landes. Präsident Vicente Fox erinnerte an die Worte des
Papstes während seiner letzten Mexiko-Reise vor drei Jahren: „Ich gehe,
aber ich verlasse Euch nicht, denn selbst wenn ich gehe, bleibt mein
Herz“.
Papst verhinderte Krieg
Die Präsidenten Chiles
und Argentiniens, Ricardo Lagos und Nestor Kirchner, erinnerten daran, dass
nur die Vermittlungsmission des Papstes im Dezember 1978 einen Krieg
zwischen den beiden Ländern verhindert hatte. Angesichts der
„Unberechenbarkeit“ der damaligen Diktatoren Jorge Videla und Augusto
Pinochet sei der Einsatz des Vatikan entscheidend gewesen, meinte Kirchner.
Großer Verlust für die Welt
Der deutsche Bundespräsident
Horst Köhler hat den Tod von Papst Johannes Paul II. als großen Verlust für
die gesamte Welt bezeichnet. Er würdigte nicht nur, dass der Papst die
deutsche Einheit „von Anfang an begrüßt und gefördert“ habe, sondern
auch seinen Einsatz für die Aussöhnung zwischen Polen und Deutschen, sein
Engagement für den Dialog mit anderen Religionen und das Eintreten für die
Menschenrechte.
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Hintergrund:
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von Johannes Paul II.
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der wichtigsten Lebensdaten von Karol Wojtyla
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Auslandsreisen Johannes Pauls II.
- Der
Papst als Schriftsteller
- Die
wichtigsten päpstlichen Dokumente Johannes Pauls II.
- Johannes
Paul II. und seine Kritiker
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Johannes
Paul II. und Österreich
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Die
Personalpolitik Johannes Pauls II.
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Johannes
Paul II., Polen und der Kommunismus
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Wähler: die Kardinäle
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Das
Kollegium der Kardinäle heute
Kandidaten für die Papstnachfolge:
- die
Italiener
- die
Westeuropäer
- Lateinamerikaner
- die
Geheimtipps
und Außenseiter
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