News 10. 06. 2005

Jüdischer Weltkongress kritisiert Seligsprechung von Papst Pius XII.

Vertreter des Jüdischen Weltkongresses (WJC) haben anlässlich eines Treffens mit Papst Benedikt XVI. am Donnerstag die geplante Seligsprechung von Papst Pius XII. kritisiert. Es war das erste offizielle Zusammentreffen des neuen Papstes mit Vertretern jüdischer Einrichtungen.

Vertreter des jüdischen Weltkongresses kritisierten anlässlich des Zusammentreffens mit dem Papst die geplante Seligsprechung von Papst Pius XII. "Es ist zwar nicht unsere Aufgaben, der katholischen Kirche vorzuschreiben, wer ihre Seligen sein sollen", sagte der WJC-Vertreter David Rosen nach dem Gespräch im Vatikan. Man erwarte aber, dass die Kirche Sensibilität gegenüber der jüdischen Position zeige. "Viele in der jüdischen Welt würden eine Seligsprechung Pius XII. als absichtliche Gefühlslosigkeit ansehen", sagte Rosen.

Pius XII. ein umstrittener Papst

Kritiker der Seligsprechung werfen Pius XII. vor, zur Judenvernichtung der Nazis geschwiegen zu haben. Der Vatikan wies die Kritik bislang stets energisch zurück. Offener Widerstand des Vatikan hätte die Nazis lediglich zu noch grausameren Verbrechen provoziert, heißt es oft seitens der katholischen Kirche. Papst Benedikt äußerte sich seit seinem Amtsantritt noch nicht öffentlich zu dem Thema.  

Papst: "Verständnis und Wertschätzung"

Bei dem Treffen im Vatikan sprach sich Benedikt XVI. für engere Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Judentum aus. Schon das Zweite Vatikanische Konzil habe "größeres Verständnis und Wertschätzung zwischen Christen und Juden" eingemahnt und "die Bekundung von Hass, Verfolgung und Judenfeindlichkeit" bedauert, sagte der Papst bei seinem ersten offiziellen Treffen mit Vertretern jüdischer Einrichtungen am Donnerstag im Vatikan.

Mitschuld und Vergebung  

Seine Vorgänger, besonders Johannes Paul II., hätten "bedeutende Schritte" unternommen, um die Beziehungen zum jüdischen Volk zu verbessern, und er selbst wolle diesen Weg fortführen, sagte Benedikt XVI. Papst Johannes Paul II. hatte in einem spektakulären "Mea Culpa" im Jahr 2000 um Vergebung für Verfehlungen der Kirche gebeten und dabei ausdrücklich auch die Judenverfolgungen genannt. Im selben Jahr betete er an der Klagemauer in Jerusalem. Bereits 1998 hatte der Vatikan in einem offiziellen Dokument "Nachdenken über die Shoah" Mitschuld von Christen am Holocaust eingeräumt.

Moralische Verpflichtung  

"Die Geschichte der Beziehungen zwischen unseren beiden Gemeinschaften ist komplex. Aber ich bin überzeugt, dass uns unser gemeinsames spirituelles Erbe, das von Christen und Juden aufbewahrt wird, eine Quelle der Weisheit und der Inspiration sein wird, fähig, uns zu einer Zukunft der Hoffnung zu führen, entsprechend dem göttlichen Plan", sagte Benedikt XVI am Donnerstag. Es sei für die christliche und jüdische Gemeinde ein moralisches Gebot, sich an die Vergangenheit zu erinnern. "Dieses Gebot muss ein fortwährendes Überdenken der geschichtlichen, moralischen und theologischen Fragen beinhalten, welche die Erfahrung der Schoah aufwirft."

40 Jahre "Nostra Aetate"

Die 25-köpfige jüdische Gesandtschaft leitete der US-Rabbiner Israel Singer, der Präsident des Internationalen Jüdischen Komitees für Interreligiösen Dialog. Das Zusammentreffen des Papstes mit den Vertretern des Jüdischen Weltkongresses stand im Kontext des bevorstehenden 40. Jahrestages der Verabschiedung der Konzilserklärung "Nostra Aetate".

Singer: Papst will Kampf gegen Antisemitismus unterstützen

Rabbi Israel Singer sagte im Anschluss an die Audienz im israelischen Rundfunk, Papst Benedikt XVI. habe erklärt, er erwarte einen Durchbruch in den Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Staat Israel. Der Papst habe zudem seine deutliche Unterstützung im Kampf gegen den Antisemitismus zugesagt. Die Religionen hätten die moralische Pflicht, jede Form des Antisemitismus zu bekämpfen, betonte Singer. Dieser Aussage habe Benedikt XVI. zugestimmt und betont, dass die katholischen Priester weltweit in diesem Sinne wirken sollten.

 

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