News 15. 11. 2005

Islam-Konferenz: "Islam mit Demokratie vereinbar"

"Islam ist mit Demokratie vereinbar", betonte der Generalsekretär der Islamischen Konferenzorganisation, Ekmeleddin Ihsanoglu, am Dienstag bei der in Wien stattfindenden Konferenz "Islam in einer pluralistischen Welt". Laut dem türkischen Wissenschaftler steht das Prinzip der Vielfalt nicht im Widerspruch zum Islam.

Von Anfang an sei die Respektierung der Vielfalt ein wesentliches Element dieser Religion gewesen, sagte Ihsanoglu. Schon der Prophet Mohammed habe Verträge mit Juden und Christen abgeschlossen. Auch die ersten Kalifen und osmanischen Herrscher hätten sich in Toleranz gegenüber den "Buchreligionen" geübt. In Andalusien und am Balkan hätten Millionen unter islamischer Herrschaft friedlich nebeneinander existiert. Für Ihsanoglu ist allen Religionen ein gemeinsamer spiritueller Hintergrund gemeinsam. Eines der Haupthindernisse für ein gegenseitiges Verständnis sei heute die wachsende Islamophobie im Westen. Um dem entgegenzuwirken, sollten sich die Medien für Toleranz einsetzen und Muslime im öffentlichen Leben stärker präsent sein.

Zakzouk: Muslime nicht "zivilisieren" wollen

Für den ägyptischen Religionsminister Mahmoud Zakzouk will der Westen eine Demokratie und seine Werte in der muslimischen Welt verbreiten, um diese gewissermaßen zu "zivilisieren". Allerdings gebe es im Islam schon seit dem 14. Jahrhundert eine Demokratie in Form der "Shura" (Ratsversammlung), ebenso wie einen Kulturpluralismus, sagte Zakzouk am Dienstag bei der Islam-Konferenz in Wien. "Die Verteidigung der Menschenrechte ist eines der Hauptziele des islamischen Rechts (Scharia)", stellte der Minister fest. Die Muslime lehnten es jedoch ab, wenn man ihnen bestimmte Werte mit Gewalt aufzwingen wolle, betonte Zakzouk, der zugleich den "Mangel an Respekt vor der muslimischen Kultur" und die "Desinformationspolitik" im Westen beklagte.

Unterdrückung fördert Terrorismus

Ferner geißelte er die westliche "Aggressionen" gegen muslimische, die vor allem auf deren Rohstoffe abzielten. Der Aspekt der Unterdrückung von Muslimen werde im Westen nicht genügend beachtet. Wenn sich diese zur Wehr setzten, gelte das Mitleid den Aggressoren. Unterdrückung und Aggression aber, warnte Zakzouk, hätten dem Terrorismus einen ungeahnten Aufschwung verschafft.

Talabani: Islam durch Terrorismus "entstellt"

Der irakische Staatspräsident Jalal Talabani erklärte auf der Konferenz, die Religion des Islam werde durch Terrorismus, durch terroristische Gruppen "entstellt". Das irakische Volk werde vom Terrorismus der Al-Kaida heimgesucht. "Terroristen führen Krieg gegen Schiiten und Kurden", so Talabani. Die religiösen Führer, namentlich der Sunniten, seien aufgefordert, gegen "Sektierer" aufzutreten und "die Verbrecher" zur Rechenschaft zu ziehen, so Talabani.

"Wer Unschuldige tötet, kommt in die Hölle"

Der irakische Staatschef sprach vom "Schreckgespenst des Terrorismus", das nun auch Jordanien heimgesucht habe. Terroristische Gruppen verursachten den Muslime "ungeheure Schmerzen", schändeten ihre heiligen Stätten und "treten ihre Rechte mit Füßen". Jene, die den Islam falsch auslegen, "töten Kinder, Frauen, Männer, ohne einen Unterschied zu machen". Der Koran sage klar: "Wer Unschuldige tötet, kommt in die Hölle." Diese Botschaft müsse von den islamischen Führern deutlich aufgezeigt werden, forderte Talabani. Die Auffassung, dass Selbstmordattentätern das Paradies sicher sei, "ist blinde Täuschung". Der Islam als tolerante Religion öffne die Tür zum Dialog und bestehe darauf, führte Talabani weiter aus. Der Koran preise auch die guten Taten anderer Religionen und viele islamische Gelehrte befürworteten den Pluralismus. Der Islam verpflichte zum Zuhören. Gläubige müssten "den Pfad der Weisheit suchen" und dürften nicht den Weg des Terrorismus beschreiten.

Karazi: Verfassung" auf Basis des Islam

Die Unterschiede im Glauben seien kein Hindernis für den Aufbau einer neuen Gesellschaft in seinem Land, erklärte der afghanische Präsident Hamid Karzai am Dienstag bei der Konferenz. Die vergangenen vier Jahre hätten gezeigt, dass "Zusammenarbeit Einmischung ersetzen kann". Es sei in seinem Land "viel erreicht" worden. Die "progressive Verfassung" auf Basis des Islam garantiere die gleichen Menschenrechte für alle, anerkenne die soziale und sprachliche Vielfalt in Afghanistan und habe dazu geführt, dass 71 der 249 afghanischen Parlamentsabgeordneten Frauen seien. Der Aufbau einer afghanischen Zivilgesellschaft zeige sich auch in der Vielfalt der Medien und der Gründung von Menschenrechtsorganisationen.

Tolerante Religion

Karzai wies darauf hin, dass der Islam historisch immer eine tolerante Religion war und andere Kulturen anerkannte. Die Muslime seien von Beginn an "sehr kosmopolitisch" gewesen. "Wissenschaft, Literatur und Kunst blühten." Heute litten Teile der muslimischen Welt an Gewalt und versagenden staatlichen Institutionen. Man dürfe jedoch nicht "Glaube und Kultur verantwortlich machen, wenn es die Gesellschaft nicht schafft, Toleranz und Pluralität zu garantieren". Heute bringe die Globalisierung die "Völker und Kulturen einander näher", die Welt "schrumpft", so Karzai.

Imame-Konferenz 2006

Während der kommenden österreichischen EU-Präsidentschaft will das Außenministerium im Zusammenarbeit mit der islamischen Glaubensgemeinschaft Österreichs eine weitere Konferenz der europäischen Imame durchführen. Dies kündigte Außenministerin Ursula Plassnik am Dienstag bei der Islam-Konferenz in Wien an. Ein solches Treffen islamischer Geistlicher hatte bereits im Juni 2003 in Graz stattgefunden. Der Islam sei längst "Bestandteil unserer europäischen Realitäten" geworden, sagte Plassnik. "Wir müssen den Dialog der Kulturen realitätsnäher, mit mehr Bodenkontakt führen." Ein neues Denken und Handeln sei erforderlich, da die Modelle der Vergangenheit "im globalisierten Dorf nicht mehr anwendbar sind". Plassnik forderte ein gemeinsames Auftreten gegen Fanatismus und Extremismus.

 

 

Weitere News zum Thema:

- 15. 11. 2005: Islam-Konferenz: Ebadi für "Front der progressiven Muslime"

- 14. 11. 2005: Fischer bei Islam-Konferenz: "Sachlicher Dialog wichtiger denn je"

- 14. 11. 2005: Schakfeh lobt österreichische Dialog-Kultur

- 14. 11. 2005: Hochrangig besetzte Islam-Konferenz in Wien

- 14. 11. 2005: Patriarch Bartholomaios in Wien eingetroffen

 

 

Hintergrund:

- Der Islam

 

 

 

 

 
Seitenanfang 
weitere News