Hintergrund |
Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI.Der 1927 in Bayern geborene Joseph Ratzinger galt bereits in jungen Jahren als brillanter Theologe. Mehr als zwanzig Jahre lang war er als Präfekt der römischen Glaubenskongregation oberster katholischer Glaubenshüter. Seit 2005 ist er als Papst Benedikt XVI. Oberhaupt von rund 1,1 Milliarden Katholiken in aller Welt.Joseph Ratzinger wurde am 16. April 1927 in Marktl am Inn, ganz in der Nähe der österreichischen Grenze, als Sohn eines Gendarmen geboren. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf, erlebte aber, wie er sich in seiner Autobiografie "Aus meinem Leben" erinnert, ein "freudiges, farbiges, menschliches Christentum". Joseph Ratzingers Vater, ein Gendarm, wurde wiederholt versetzt. 1929 zog die Familie nach Tittmoning an der Salzach, wo Joseph im Alter von drei Jahren den Kindergarten im ehemaligen Augustinerkloster besuchte. In seiner Autobiografie schreibt er: "Die zweite Station unserer Wanderschaft war Tittmoning, die kleine Stadt an der Salzach, deren Brücke zugleich die Grenze nach Österreich bildet. Tittmoning, architektonisch ganz vom Salzburgischen her geprägt, ist das Traumland meiner Kindheit geblieben." Ende 1932 führte die Familie ein weiterer Umzug nach Aschau am Inn. Der fünfjährige Joseph besuchte dort die Schule. Zusammen mit Bruder Georg erhielt er im nahe gelegenen Kloster Au Klavierunterricht bei den Franziskanerinnen. Bis heute verbindet die Brüder die gemeinsame Liebe zur Musik. Hitlerjugend und ReichsarbeitsdienstNach der Pensionierung des Vaters zog die Familie nach Traunstein, wo sie ein kleines Bauernhaus erwarb. Als Zwölfjähriger folgte Joseph seinem Bruder Georg in das Traunsteiner Studienseminar St. Michael, "mit großen Erwartungen", wie er in seiner Autobiografie schreibt. In dem besonders auf die Förderung von Priesterberufen hin ausgerichteten Studienseminar begann für die beiden Brüder der Weg zum Priestertum. Den nationalsozialistischen Machthabern war das Traunsteiner Seminar ein Dorn im Auge, da die katholische Leitung sich der Ideologie der Nazis entschieden widersetzte und der Hitlerjugend bis 1939 den Zugriff auf die Seminaristen verweigerte. Erst nach Einführung der Pflichtmitgliedschaft im März 1939 wurden die Schüler Mitglieder der Hitlerjugend. Auch Joseph Ratzinger wurde als 14-Jähriger nach eigener Aussage "hineingemeldet". 1943 wurde er als Flakhelfer einberufen. Beim Reichsarbeitsdienst im Burgenland, so schreibt er, habe es Rekrutierungsversuche der Waffen-SS gegeben. "Mit einigen anderen hatte ich das Glück, sagen zu können, dass ich die Absicht hege, katholischer Priester zu werden. Wir wurden mit Verhöhnungen und Beschimpfungen hinausgeschickt. Aber diese Beschimpfungen schmeckten großartig (...)." Priesterweihe 19511946 begann Joseph Ratzinger sein Theologiestudium in Freising und München. Am 29. Juni 1951 empfing er zusammen mit seinem Bruder Georg und 38 weiteren Diakonen durch Kardinal Michael Faulhaber die Priesterweihe. Bereits im Alter von 25 Jahren begann seine Universitätslaufbahn. Er wurde Dozent in Freising. 1958 folgte er einem Ruf auf den Fundamentaltheologischen Lehrstuhl nach Bonn, wurde 1963 Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte in Münster, später dann noch in Tübingen und in Regensburg. Konzilstheologe, Erzbischof und Kurienkardinal1962 begleitete der junge Theologieprofessor Ratzinger den Kölner Kardinal Josef Frings zum II. Vatikanischen Konzil und wurde zu einem der bedeutenden Konzilsberater und Konzilstheologen. Am 25. März 1977 ernannte Papst Paul VI. den Regensburger Theologieprofessor und international renommierten Theologen zum Erzbischof von München und Freising und damit zum Nachfolger von Kardinal Julius Döpfner. Im Münchner Liebfrauendom wurde er am 28. Mai 1977 zum Bischof geweiht. Am 27. Juni 1977 nahm ihn Papst Paul VI. in das Kardinalskollegium auf. Am 25. November 1981 berief ihn Papst Johannes Paul II. als Kurienkardinal nach Rom und ernannte ihn zum Präfekten der Römischen Glaubenskongregation. In dieser Aufgabe war er mehr als zwei Jahrzehnte einer der engsten Mitarbeiter des Papstes. Der Streit um die BefreiungstheologieIn Ratzingers Amtszeit fiel unter anderem die Auseinandersetzung mit der lateinamerikanischen Befreiungstheologie, deren Vertreter für eine Annäherung von Christentum und Marxismus eintraten. Nach Ansicht Ratzingers betonten die Befreiungstheologen zu sehr das soziale Engagement der Kirche und vernachlässigten dabei den kirchlichen Heilsauftrag. Die Befreiungstheologen übernahmen, so fasste Ratzinger in einem Vorwort zu seiner im Jahr 2000 neu aufgelegten "Einführung in das Christentum seine Kritik zusammen, den von Karl Marx vertretenen Gedanken des "Primats des Politischen und der Wirtschaft" und machten damit Gott zu etwas unwesentlichem. Die Befreiungstheologen verstünden, so Ratzinger, Jesus nicht als Christus, sondern nur als "die Verkörperung aller Leidenden und Unterdrückten". "Dialog für Österreich"Auch in Österreich sorgten einige Entscheidungen und Stellungnahmen der von Kardinal Ratzinger geleiteten Glaubenskongregation für Aufsehen. Unter anderem ein Schreiben anlässlich des sogenannten "Dialogs für Österreich" erregte Aufmerksamkeit. Dialog dürfe nicht bedeuten, "dass die Lehre der Kirche in Frage gestellt, sondern dass sie besser verstanden und in die Praxis umgesetzt" werde, betonte die Glaubenskongregation 1998. Umstrittenes "Dominus Jesus"Ebenfalls in Joseph Ratzingers Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation fiel die Veröffentlichung des Dokuments "Dominus Jesus", das zu einigen Verstimmungen zwischen der katholischen und den protestantischen Kirchen führte, da der Vatikan darin erklärte, die reformatorischen Kirchen seien "nicht Kirchen im eigentlichen Sinn". Kritiker sprachen damals von einer "kalten Dusche für die Ökumene". Ähnliche Reaktionen rief auch das 2007 erschienene Schreiben "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche" hervor. Auch in diesem, von Papst Benedikt XVI. ausdrücklich gebilligten, Text der Glaubenskongregation heißt es, die protestantischen Kirchen seien "nicht Kirchen im eigentlichen Sinn", sondern nur "kirchliche Gemeinschaften". „Ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn“Am 19. April 2005 wählten die wahlberechtigten Kardinäle der katholischen Weltkirche Joseph Ratzinger zum Nachfolger des am 2. April 2005 verstorbenen Papstes Johannes Paul II. Er gab sich den Namen Benedikt XVI, und bezeichnete sich bei seinem ersten Gruß als „einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn“ und verwies darauf, dass ihn die Tatsache tröste, „dass der Herr auch mit ungenügenden Werkzeugen zu arbeiten und zu wirken weiß“. Mit der Wahl seines Papstnamens wollte Ratzinger an das Wirken des "Friedenspapstes" Benedikt XV. anknüpfen, dessen Pontifikat (1914-22) vom Ersten Weltkrieg überschattet war. In einem großen Friedensappell bezeichnete Benedikt XV. 1917 den Ersten Weltkrieg als "unnützes Blutbad" (inutile strage). An diesen Begriff erinnerte Benedikt XVI. im Sommer 2007, als er von seinem Urlaubsort in den Dolomiten aus zu mehr Frieden in der Welt aufrief. Enzyklika über die LiebeAm 25. Dezember 2005 veröffentlichte der neue Papst seine erste Enzyklika "Deus caritas est - Gott ist Liebe". Darin bezeichnete Benedikt die Caritas als "wesentlichen Sektor" des kirchlichen Lebens. Die praktische Nächstenliebe gehöre genauso zum Wesen der Kirche wie der Dienst der Sakramente und die Verkündigung des Evangeliums. Zugleich unterstrich der Papst das Besondere des christlichen Gottesbildes und betonte die "notwendige Wechselwirkung" zwischen Gottes- und Nächstenliebe. Die in der Gottesliebe verankerte Nächstenliebe sei zunächst ein "Auftrag an jeden einzelnen Gläubigen", aber sie sei auch ein Auftrag an die gesamte kirchliche Gemeinschaft "auf all ihren Ebenen", von der Pfarre bis zur Universalkirche, so der Papst. Zugleich wies der Papst den Vorwurf zurück, der christliche Glaube sei eros-feindlich. Das Christentum wende sich nur gegen eine "Verherrlichung des Leibes", die Sex zur Ware und bloßen Sache "degradiert". Benedikt XVI. und der IslamFür Aufsehen sorgte im September 2006 eine Rede des Papstes an der Universität Regensburg, in der er zu zeigen versuchte, dass für das christliche Gottesverständnis die Vernünftigkeit Gottes entscheidend und eine Glaubensverbreitung durch Gewalt damit nicht vereinbar ist. Dabei zitierte der Papst eine Aussage des christlichen Kaisers von Byzanz, Manuel II. Palaeologos, (1350-1425): "Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten". Dieses Zitat löste in zahlreichen muslimischen Ländern einen Sturm der Entrüstung aus. Mit großer Spannung wurde daher der Türkei-Besuch des Papstes nur knapp drei Monate später erwartet. Doch der Papst meisterte die durchaus schwierige Aufgabe nach Ansicht der meisten Beobachter mit Bravour und setzte bei seinem ersten Besuch in einem überwiegend muslimischen Land ein deutliches Zeichen der Versöhnung. Vor allem mit seinem stillen Gebet in der Blauen Moschee von Istanbul gewann der Papst viele Sympathien in der islamischen Welt zurück. Für die türkische Zeitung "Milliyet" war das gemeinsame Gebet des katholischen Kirchenoberhaupts und des Istanbuler Großmuftis Mustafa Cagrici sogar ein Zeichen des "Friedens von Istanbul". Papst-Aussage enttäuschte lateinamerikanische UreinwohnerFür weniger positive Schlagzeilen sorgte hingegen eine Aussage, die der Papst bei seiner Brasilienreise im Frühjahr 2007 machte. In seiner Rede zur Eröffnung der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz in Aparecida erklärte Benedikt XVI., die Verkündigung des Evangeliums hätte den amerikanischen Ureinwohnern in "keinster Weise eine Entfremdung" gebracht. Auch wäre es zu keiner "Besetzung oder Auferlegung durch eine fremde Kultur" gekommen. Vielmehr sei Christus der Retter gewesen, den sich die Indianer im Stillen herbeigewünscht hätten. Angesichts der teils blutigen Geschichte der Kolonisation und Christianisierung in Lateinamerika waren diese Aussagen für so manchen lateinamerikanischer Ureinwohner kaum verständlich. Verneigungen nach rechts?Für innerkirchliche Irritationen sorgten im Sommer 2007 zwei praktisch zeitgleich veröffentlichte Vatikan-Dokumente. Mit dem Schreiben "Summorum Pontificum" gab der Papst die Feier des traditionellen römischen Messritus wieder frei. Das Dokument "Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche" sorgte vor allem bei protestantischen Kirchenvertretern für Verärgerung. Aber auch so mancher im ökumenischen Dialog engagierte katholische Theologe zeigte sich wenig begeistert von dem Schreiben, dass den protestantischen Kirchen die Anerkennung als "Kirchen im eigentlichen Sinn" verweigerte. Der italienische Bischof Luca Brandolini sah mit den neuen Dokumenten, die viele Beobachter als "Verneigung vor den Traditionalisten" verstanden, sogar „das Ende der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils“ gekommen.
|
![]() |