News 05. 03. 2010

Bischöfe erarbeiten bundesweite Regeln für Umgang mit Missbrauch

Angesichts des aktuellen Skandals um sexuellen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen haben die katholischen Bischöfe bei ihrer Frühlingsvollversammlung in St. Pölten österreichweit geltende innerkirchliche Richtlinien in Auftrag gegeben. Eine Projektgruppe soll dazu bis zum Sommer Vorschläge erarbeiten. Verbessert werden soll vor allem die Zusammenarbeit zwischen den Ombudsstellen der einzelnen Diözesen und mit den Orden.

Basis für die österreichweite Regelung sollen bereits bestehende Richtlinien sein, wobei die in der Erzdiözese Wien geltenden Bestimmungen Vorbildcharakter hätten, erklärte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Christoph Schönborn am Freitag bei einer Pressekonferenz. Zwar seien bereits vor 15 Jahren - seit dem Fall Groer - eine Reihe von Maßnahmen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch getroffen worden. Diese gelte es aber zu verbessern. Etwa die österreichweite Vernetzung und Zusammenarbeit der diözesanen Ombudsstellen. Auch die Männer- und Frauenorden in Österreich sollen in deren Arbeit offiziell eingebunden werden.

Bessere Ausbildung der Mitarbeiter

Zur Förderung von Bewusstseinsbildung und Prävention zur Verhinderung sexuellen Missbrauchs soll es weiters vor allem eine verstärkte Aus- und Fortbildung der kirchlichen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter geben. Um all diese Maßnahmen rasch und effektiv umsetzen zu können, hat die Bischofskonferenz eine Projektgruppe eingesetzt, die bis zur Sommervollversammlung der Bischofskonferenz im Juni ein detailliertes Gesamtkonzept auszuarbeiten hat. Dieser Gruppe gehören Ombudsleute wie auch andere Experten an.

Sorge um die Opfer muss an erster Stelle stehen

"Leider wurden in der Vergangenheit zu Unrecht in der Kirche die Täter oft mehr geschützt als die Opfer", gab Schönborn zu. Wörtlich heißt es in eine Erklärung der Bischofskonferenz: "Mit Scham und Trauer stellen die Bischöfe fest, dass sich erst in den letzten Jahren in der Kirche in Österreich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass bei Missbrauchsvorwürfen nichts anderes zählt als die Wahrheit, die allein frei macht." Für sexuellen Missbrauch könne es nur Reue, die Bitte um Vergebung und das Bemühen um Heilung der Wunden geben. Dies gelte in besonderem Maß für die Kirche, an die zu Recht hohe ethische Ansprüche gestellt werden.

Respekt vor Opfern, die bereit sind zu reden

Die Bischöfe zollen in ihrer Erklärung all jenen großen Respekt, "die bereit sind, über ihre Erfahrungen mit sexuellem Missbrauch im kirchlichen Umfeld zu sprechen". Es sei nur zu erahnen, "wie viel Überwindung und Mut es braucht, die Erinnerung an erlittenen Missbrauch in Worte zu fassen". Nur so ist die Begegnung mit der befreienden Wahrheit möglich. Die Bischöfe zeigen zugleich auch Verständnis für all jene, "deren Schmerz, Angst oder Wut noch zu groß sind, um sich über den Missbrauch zu äußern".

Ein gesamtgesellschaftliches Problem

Kardinal Schönborn wehrte sich bei der Pressekonferenz am Freitag allerdings gegen "Pauschalverdächtigungen" von Priestern und Mitarbeitern der Kirche. In ihrer Erklärung betonen die Bischöfe dazu: "Sexueller Missbrauch ist eine dunkle Seite der ganzen Gesellschaft. Die meisten Fälle von sexuellem Missbrauch finden im familiären Umfeld und in anderen gesellschaftlichen Bereichen statt." Dieser Hinweis solle die Verantwortung der Kirche im eigenen Bereich allerdings nicht kleinreden. Wörtlich heißt es in der Erklärung: "Die Bischöfe wissen, dass für die Kirche hohe ethische Ansprüche gelten, an denen sie zu Recht gemessen wird. Umso mehr wollen sich die Bischöfe ihrer Verantwortung stellen und mit allen in der Gesellschaft zusammenarbeiten, um sexuellen Missbrauch durch bessere Prävention zu verhindern und entstandene Wunden zu heilen."

Verurteilte Priester weiter seelsorgerisch tätig?

Zu Vorwürfen des Vereins "Priester ohne Amt", wonach mehrere Priester, die wegen Kindesmissbrauchs bereits rechtskräftig verurteilt sind, immer noch seelsorgerisch tätig sind, meinte Schönborn, ihm sei in seinen 15 Jahren als Erzbischof von Wien kein derartiger Fall bekannt geworden.

 

 

TV-Hinweis:

- Orientierung, 07.03.2010: Missbrauch: Österreichs Bischöfe beraten über Konsequenzen

 

Audio-on-demand:

- oe1.ORF.at: Missbrauch: Schönborn ersucht um Vergebung

 

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