Kyrill I. - Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche
Seit 1. Februar 2009 ist Kyrill I. Patriarch von Moskau und der
ganzen Rus. Somit ist er Vorsteher der Russisch-Orthodoxen Kirche. Er ist
besonders bekannt für seine ökumenischen Bemühungen und seine guten
Beziehungen zur römischen Kurie.
Nach dem Tod des Moskauer Patriarchen Alexius II. am 5.
Dezember 2008 wurde Kyrill I., mit bürgerlichem Namen Wladimir
Michailowitsch Gundjajew, am 27. Januar in der Moskauer
Christus-Erlöser-Kathedrale im ersten Wahlgang zum Patriarchen gewählt. Als
16. Patriarch der russischen Orthodoxie ist er Oberhaupt von über 150
Millionen russisch-orthodoxen Christen in Russland, der Ukraine,
Weißrussland und in aller Welt. Außerdem ist er „Primus inter pares“ unter
den anderen orthodoxen Kirchenoberhäuptern.
Studium und frühe Tätigkeiten
Geboren wurde Wladimir Michailowitsch Gundjajew am 20.
November 1946 in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, als Sohn eines
Priesters und einer Deutschlehrerin. Er besuchte das Priesterseminar und
studierte an der Geistlichen Akademie in Leningrad. Im Jahre 1969 legte er
das Mönchsgelübde ab und erhielt den Namen Kyrill. Bereits ein Jahr später
wurde er zum Sekretär des damaligen Metropoliten von Leningrad ernannt. Kurz
darauf erhob man ihn zum Archimandriten, und er wurde offizieller Vertreter
des Moskauer Patriarchats beim Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf.
Rektor, Bischof, Erzbischof und Metropolit
Zwischen 1974 und 1984 war Kyrill Rektor des
Priesterseminars und der Theologischen Akademie in Leningrad. Anschließend
übernahm er das Amt des Bischofs der Diözese Smolensk und des Administrators
der Diözese Kalingrad. 1988 wurde er Erzbischof, 1991 Metropolit.
In der Phase der "Perestrojka" von Michael Gorbatschow
zählte Kyrill zu den Autoren des neuen russischen Gesetzes über
Religionsfreiheit. Seit November 1989 war er zudem Leiter des
Außenamts des Moskauer Patriarchats. In dieser Funktion weihte er 2006 die
erste russisch-orthodoxe Kirche in Rom ein.
Wahl zum Patriarchen durch Landeskonzil
Bereits vor den Wahlen zum Patriarchen
Anfang 2009 war Kyrill als Favorit gehandelt worden. Für die Wahl
versammelten sich in der Christus-Erlöser-Kathedrale in Moskau Priester,
Ordenschristen und Laien. Kyrill erhielt 508 von 702 abgegebenen Stimmen und
setzte sich damit klar gegen seine Konkurrenten durch. Seine Inthronisation
erfolgte am 1. Februar 2009. In seiner Dankesrede rief er die orthodoxen
Schwesterkirchen zur Einheit auf.
Wortgewandter Modernisierer
Kyrill gilt als wortgewandter Vertreter
des reformorientierten Kirchenflügels. Seine Publikationsliste umfasst über
600 Titel. Die im Jahr 2000 verabschiedete Soziallehre der
russisch-orthodoxen Kirche geht stark auf ihn zurück. Zum Kreml wahrte
Kyrill immer eine gewisse Distanz.
Beziehungen zur römischen Kurie
Als Verantwortlicher für ökumenische
Beziehungen traf sich Kyrill mehrmals mit Papst Benedikt XVI. Dieser
schenkte ihm zum Amtsantritt Anfang 2009 einen Kelch, der Ausdruck der
Hoffnung auf eine baldige vollständige Gemeinschaft sein sollte. Die guten
Kontakte Kyrills zu Rom sind in der orthodoxen Kirche nicht unumstritten.
Ökumene-Gegner werfen ihm etwa vor, er habe 2005 im Vatikan Benedikt XVI.
nach dessen Papstwahl unterwürfig die Hand geküsst. Bereits vor der Wahl zum
Patriarchen entfernte sich Kyrill jedoch zunehmend von der katholischen
Kirche. So schloss er bei der Eröffnung des Landeskonzils Kompromisse mit
anderen christlichen Konfessionen in Glaubensfragen kategorisch aus.
Gespanntes Verhältnis zu Konstantinopel
Die Beziehungen des russischen Patriarchats in Moskau
zum Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel im Phanar sind
traditionellerweise gespannt. Als die mit Abstand
mitgliederstärkste Gliedkirche hat sich die russische stets bestrebt
gezeigt, die Vorrechte des Ökumenischen Patriarchats so eng wie möglich
auszulegen. Auch Kyrill forcierte als langjähriger Diplomat unter seinem
Vorgänger Alexius II. Versuche, Moskau auf Kosten des Phanar zum Zentrum der
östlichen Kirchenfamilie zu machen. Bei seinem Treffen mit dem Patriarchen
von Konstantinopel Bartholomaios I. im Juli 2009 betonte er allerdings die
Einheit der orthodoxen Kirchen und unterstrich seine Verbundenheit mit dem
Ökumenischen Patriarchat.
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