Kardinal Carlo Maria Martini Erzbischof von Mailand
Carlo Maria Martini gilt als Theologe mit internationalem Renommee. Seit
1983 ist Martini Kardinal. Der Leitspruch des immer wieder als "papabile"
gehandelten Kardinals: "Die Botschaft des Evangeliums leben".
Martini war 17 Jahre alt, als er in den Jesuitenorden "Societas
Jesu" eintrat. 1952 wurde er zum Priester geweiht und danach von seinem
Orden in der praktischen Seelsorge eingesetzt. 1958 erlangte er an der
päpstlichen Universität Gregoriana in Rom den Doktortitel. 1964 kehrte er
dorthin zurück und promovierte ein zweites Mal. Dieser
bibelwissenschaftliche Doktorgrad ist seiner Schwierigkeit wegen sehr
selten.
Seit 1983 Kardinal
Martini machte bereits in den sechziger Jahren von sich reden, er gilt
als Theologe mit internationalem Renommee. Von 1969 bis 1978 leitete er das
Päpstliche Bibelinstitut. Er gab zahlreiche, häufig übersetzte
wissenschaftliche Publikationen heraus. Aber auch seine spirituellen Bücher
haben im deutschsprachigen Raum ein großes Publikum. Papst Paul VI. berief
Martini 1978 an die Spitze der berühmten römischen Gregoriana-Universität,
dadurch wurde sein theologischer Einfluss noch größer. Johannes Paul II.
machte ihn bald nach seinem Amtsantritt zum Oberhirten der norditalienischen
Metropole, deren Bischofsstuhl schon so große Gestalten wie der
Kirchenvater Ambrosius, der Heilige Karl Borromäus und Kardinal Montini,
der spätere Paul VI., eingenommen hatten. Seit 1983 ist Martini Kardinal.
Wusch Drogensüchtigen die Füße
In der Mailänder Erzdiözese kümmert er sich um die großen
kirchenpolitischen Fragen ebenso wie um die Jugendarbeit oder die
Ausländer-Pastoral. Er besucht Häftlinge in Gefängnissen und erregte
Aufsehen, als er Drogensüchtige, Aidskranke und Obdachlose in den Dom
einlud, um ihnen nach altem Brauch am Gründonnerstag die Füße zu waschen.
1993 wurde er zum "Mailänder des Jahres" gewählt.
Stellungnahme zum Islam
Internationale Beachtung fanden seine Stellungnahmen zum Islam. In einer
Ansprache im Dezember 1990 ging er als erster führender Kardinal der
katholischen Kirche auf die zunehmende Einwanderung von Muslimen in den
europäischen Kulturraum ein. Da sich seiner Ansicht nach auch der Islam
über kurz oder lang der Herausforderung von Säkularisierung und
Aufklärung stellen müsse, sollten die Christen den in Europa lebenden Muslimen zeigen, dass eine individuelle wie gemeinschaftliche Religiösität
auch innerhalb einer demokratischen und weltlichen Gesellschaft möglich
sei.
Botschaft des Evangeliums leben
Seine Äußerungen zu Themen wie die rechtspopulistische Lega Nord, die
Korruptionsskandale, seine Stellungnahmen zum Islam oder zum Einfluss der
Medien finden breite Resonanz über den kirchlichen Bereich hinaus.
"Wir fürchten weder den Pluralismus noch das Phänomen der
Säkularisierung. Wir haben vielmehr die Gewissheit, dass es auch unter den
neuen Umständen möglich ist, christliche Gemeinschaften zu bilden, die die
Botschaft des Evangeliums leben", sagte Martini.
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