FRAGEN AN DEN ISLAM

Frage: ”Erlaubt der Islam Selbstmordattentate?"

Eine generelle Antwort auf diese Frage zu finden, ist schwierig. Aber es gibt sowohl im Koran, als auch durch zahlreiche Aussagen führender Würdenträger belegt, die vorherrschende Einschätzung, dass Selbstmordattentate weder erlaubt sind, noch gutgeheißen werden können.

Der Islam ist kein monolithischer Block

Allerdings: Der Islam ist zwar eine monotheistische Religion, in der es nur einen Gott gibt, aber kein monolithischer Block, in dem Einigkeit herrscht. Die weltweit rund 1,2 Milliarden Anhänger des Islam gehören zu etwa 90 Prozent der sunnitischen und zu etwa zehn Prozent der schiitischen Richtung an.

Antworten müssen interpretiert werden

Den Islam verstehen bedeutet auch, sich zunächst an seine Sprache zu gewöhnen. Direkte Antworten, die kaum Interpretationsmöglichkeiten zulassen, sind darin eher eine Ausnahme. Das wird im westlichen Verständnis oft als Nachteil empfunden, weil es viele Fragen zum Islam gibt, aber nur wenige Instanzen, die das islamische Recht (Scharia) mit verbindlichen Antworten (Fatwah) auslegen dürfen

Im sunnitischen Islam gibt es vier Rechtsschulen, die in wichtigen theologischen Fragen zum Teil sehr voneinander abweichen.

Rechtfertigung von Selbstmordattentaten: Zwei einander gegenüber stehende Lager

In der Frage, ob Selbstmordattentate theologisch zu rechtfertigen sind, gibt es zwei einander gegenüber stehende Lager: Abdel Aziz al-Scheich, der Großmufti von Saudi Arabien, hat im April erklärt, Attentate, bei denen sich Palästinenser in die Luft sprengen, seien Selbstmord. Selbstmord ist im Islam verboten, weil der Mensch nicht nehmen soll, was Gott gestiftet hat. Der Großmufti von Saudi-Arabien hatte zuvor bereits alle islamischen Rechtsgelehrten dazu aufgerufen, die wahre Lehre des Islam zu verbreiten und der Welt zu zeigen, dass ihre Religion Terrorakte wie in New York und Washington ablehne. Derartige Selbstmordanschläge seien nach der islamischen Scharia (Rechtslehre) eine schwere Sünde

Tantauwi: Selbstmordanschläge seien mit dem Islam in Ausnahmefällen durchaus vereinbar

Großscheich Muhammad Tantauwi von der Kairoer Al-Azhar Universität hält dem entgegen, Selbstmordanschläge seien mit dem Islam in Ausnahmefällen durchaus vereinbar. Wer sich mit Sprengstoff bepackt in die Luft jage und dabei Feinde töte, der habe als Märtyrer zu gelten, dem Gott die Freuden des Paradieses zuteil werden lasse. Einschränkungen allerdings macht der ägyptische Großscheich: Der Anschlag darf sich nicht gegen Frauen, Kinder und alte Menschen richten.

Koran: “Wer kämpft, soll nicht maßlos im Töten sein.”

Befürworter und Gegner von Selbstmordanschlägen berufen sich auf den Koran. Der Koran besteht aus 114 Teilen, den sogenannten Suren, und ist die unumstößliche Glaubensgrundlage des Islam. In Sure 17, Vers 33 heißt es: “Wer kämpft, soll nicht maßlos im Töten sein.” Selbstmordattentate, bei denen zumeist Unschuldige zu schaden kommen, lassen sich durchaus als maßlos einstufen. Dem halten die Befürworter von Selbstmordattentaten allerdings andere Koranzitate entgegen, denn in den Suren 61, Vers 11 und 9, Vers 41 heißt es, dass die Muslime beim Kampf gegen ihre Feinde mit ihrem Vermögen und ihrer eigenen Person in der Pflicht stehen. Wenn es sich nun um derart hochgerüstete und militärisch überlegene Feinde wie Israel handle, dann, so die Befürworter, müsse jedes Mittel recht sein.

 

 

Fragen an den Islam ist eine neue ORF-ReligiOn-Serie, die Monat für Monat erweitert werden soll. Als Antwortgeber stehen uns künftig hochrangige Islam-Experten und Vertreter des Islam zur Seite.

Mailen auch Sie uns ihre Fragen zum Islam. religion.tv@orf.at

 

 

 

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Gottes Wort ist für die Muslime Buch geworden: der Koran. Der Prophet Mohammed war der Empfänger dieser,  durch einen Engel im siebten Jahrhundert n. Chr. verkündeten,  Botschaft.

 
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