JUDENTUM - FESTE

Das jüdische Pessach-Fest

Im Frühlingsmonat Nissan, wenn die in der Winterkälte erstarrte Natur zu neuem Leben erwacht, feiern die Juden das Fest Pessach in Erinnerung an Gottes Befreiungstat

Gott führte die Israeliten in der Nacht vom 14. zum 15. Nissan vom Tod zum Leben, von der Sklaverei in die Freiheit. Nach jüdischem Verständnis war Israel in Ägypten noch eine unbedeutende, gestaltlose Menschenmasse. Durch die Befreiung aus der Sklaverei des Pharaos wurde Israel erst zu einem wirklichen Volk. 

Durchzug durch das Rote Meer

Der Durchzug durch das Rote Meer gilt als der eigentliche Akt der Befreiung: In den Fluten versinkt das alte Dasein als Sklaven, aus ihr geht ein Volk befreiter Menschen hervor. Der hastige Aufbruch und die Wüstenwanderung ins Gelobte Land sind für die Juden aber nicht bloß Vergangenheit: Dieses Ereignis soll jeder Jude so nachvollziehen, als hätte er es selbst erlebt.

Schluss mit sauer. 

Vor dem Pessachfest wird das Haus von allem Sauerteig gereinigt: Dadurch soll deutlich werden, dass alles, was im Leben zur Gewohnheit geworden und auch "versklavt", entfernt wird. Die Gläubigen nehmen ganz bewusst ein Bad und kleiden sich in neue weiße Gewänder. Zu Beginn der Frühlingsvollmond-Nacht, in der Nacht zum 15. Nissan, finden sich alle im Haus zusammen, bereit zum Aufbruch in die von Gott geschenkte Freiheit.

Salzwasser und Nussbrei

Das Pessach-Mahl erinnert nicht nur an eine geschichtliche Begebenheit aus grauer Vorzeit. Der Auszug aus dem "Sklavenhaus" Ägypten soll vielmehr in den Speisen und Getränken von jedem Juden hier und heute erlebt werden können. Jeder Mitfeiernde erlebt die Befreiung, die Gott schenken will.

Tischlein, deck dich. 

Auf einem Teller liegen die Zeichen der Sklaverei: Das Salzwasser als Zeichen der Tränen, der beißend-scharfe Kren für die erlebte Bitternis (Maror), die herbe Frucht der Erde (Karpas), zu der die Israeliten herabgedrückt waren, und der lehmfarbene, weingetränkte Nussbrei (Charosseth) für die Ziegel, die die Israeliten in Ägypten herstellen mussten. Daneben liegen auf dem Teller die Zeichen der Errettung zu neuem Leben: Ein kleiner Knochen des Lammes, durch dessen Opferung der "Todesengel" die Erstgeborenen unter den Israeliten verschonte, und das Ei, das Zeichen des ewigen Lebens.

Wein für den Propheten Elija. 

In einer Tasche liegen drei ungesäuerte Brote (Mazzoth), die den dreigliedrigen "Leib" ganz Israels (Kohen, Lewi, Israel) verkörpern. Dazu gehört auch der Wein für den Kelch des Heiles, von dem in der Nacht des Festes vier mal getrunken wird. Er ist Sinnbild für die stufenweise Errettung Israels. Ein besonderer Weinkelch steht bereit für den Propheten Elija, den Vorboten des Messias.

Durchlebte Befreiung. 

Nach Entzünden der Lichter und Heiligung der Versammlung (Kiddusch) versetzen sich alle Anwesenden noch einmal zurück in den Zustand des Sklaventums, um den Auszug in die Freiheit in der Feier des Pessachmahles zu durchleben. Das jüngste der anwesenden Kinder fragt, was diese Nacht von allen anderen Nächten unterscheide. Der Hausvater antwortet: "Sklaven waren wir einst dem Pharao in Ägypten, da führte uns der Ewige, unser Gott, von dort heraus mit starker Hand und ausgestrecktem Arm." Es wird die Befreiungsgeschichte so erzählt, dass sowohl das kleine Kind als auch der Gelehrte die Errettung nacherleben können. Zugleich werden in festgelegter Ordnung (Seder) die genannten Speisen gegessen. So können alle, die am Mahl teilnehmen, den Weg auch körperlich erleben. Danach folgt die Festmahlzeit, die mit dem Tischgebet und Lobpreisungen abgeschlossen wird.

Erlösung – aber noch nicht ganz. 

Durch die Feier des Pessachmahles wird zwar Errettung erwirkt. Aber die Erlösung in Fülle steht noch aus. Das wird ausgedrückt im abschließenden Wunsch: "Das kommende Jahr in Jerusalem!"

Jüdische Wurzeln
des christlichen Osterfestes

Das christliche Osterfest entwickelte sich aus der Tradition des jüdischen Pessachfestes. Erlösung ist hier wie dort der Inhalt des Festes. Die Befreiung Israels aus der ägyptischen Knechtschaft wurde in der christlichen Deutung zu einem Bild der Erlösung von Sünde und Tod. Denn die Überwindung des Todes und der Sünde durch Jesus feiern die Christen zu Ostern. So wird schon bei den Kirchenvätern die "Auszugsgeschichte" allegorisch auf die Befreiung des Menschen durch den Tod und die Auferstehung Jesu gedeutet.

Kein Verständnis für wüste Party. 

Am Beginn der Erzählung vom Auszug Israels aus Ägypten – in der Bibel nachzulesen – stand die Bitte des Mose, die Israeliten ein Fest in der Wüste feiern zu lassen. Und zwar zu Ehren ihres Gottes. Doch der Pharao war kein lustiger Gesell und hatte für "Wüstenpartys" kein Verständnis. Seine Weigerung hatte jedoch böse Folgen: Ägypten wurde mit Katastrophen überzogen, den sogenannten "ägyptischen Plagen". Zum Schluss entkamen die Israeliten dem Despoten aber doch, und zwar mit der Hilfe Gottes. Das ungesäuerte Brot, das im Pessachmahl gegessen wird, erinnert noch heute an den hastigen Aufbruch. Denn zum Durchsäuern des Brotes blieb damals keine Zeit mehr.

Bittere Kräuter. 

Während des Pessachfestes werden eine Woche lang kein normales Brot und keine mit Hefe versetzten Speisen gegessen. Statt dessen werden "Mazzoth" gegessen. Das ist ein aus Wasser und Mehl gekneteter Teig, der gebacken wird. Zum festlichen Mahl gehören auch bittere Kräuter, die an das bittere Schicksal der Juden erinnern sollen.

Freiheit nicht im Sonderangebot

In der Sklaverei waren sie unzufrieden. Nach ihrer Befreiung klagten sie und murrten gegen Mose. Dass der Weg in die Freiheit oft schwerer ist als eine bequeme Gefangenschaft, ist eine aktuelle Botschaft der biblischen "Exodusgeschichte" und des Pessachfestes.

Gefährliche Freiheit. 

"Ich will alles, und das sofort!" Zumindest nach Meinungsumfragen ist das die Parole vieler Zeitgenossen. Doch die Freiheit ist nicht billig zu haben. Es kann freilich bequemer sein, sich weiterhin an den "Fleischtöpfen Ägyptens" zu laben, als den gefährlichen Schritt in die Freiheit zu wagen: Denn das Gelobte Land liegt nicht vor der Haustür. Die lebensfeindliche Wüste muss erst durchwandert werden, wenn echte Freiheit gewonnen werden will.

Wer kennt das nicht: Alte Gewohnheiten, die man schon längst aufgeben will, halten einen gefangen. Aber sich von ihnen zu lösen, ist verdammt schwer. Da hilft selten eine schnelle Pille oder ein Wunderpulver. Manchmal glaubt man vielleicht, dass einem das Wasser schon bis zum Hals steht. Aber gerade das könnte wie der Durchzug durchs Rote Meer der erste Schritt in eine neue Freiheit sein.

Nicht an der Wüste vorbei. 

Auf die Frage, warum das Leben manchmal auch so schwer und leidvoll sein kann, gibt es keine abschließende Antwort. Aber vielleicht gibt es zumindest Fragen, die in die richtige Richtung weisen: Manchmal – so heißt ein Sprichwort – wird man ja aus Schaden klug. Und möglicher Weise ist gerade die Bewältigung von Leid – so gut das eben gelingt – ein notwendiger Schritt zu einer großen Befreiung durch Gott, die hier und jetzt kaum jemand erahnen kann. Eine Befreiung, die erst in der Ewigkeit ganz Wirklichkeit wird. Denn auch die Israeliten haben die Wüstenwanderung oft als sinnlos empfunden. Die Geschichte vom Exodus hält unter anderem auch diese tröstliche Botschaft bereit: Manchmal ist das Leben zwar wie eine trockene Wüste. Aber dabei soll es nicht bleiben. Durch die Wüste hindurch – und nicht an ihr vorbei – führt der Weg in die Freiheit.

 

 

 

 
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