FeierAbend
24.05.2010, 19.52 Uhr in ORF 2

 

Geheimnisvolles Labyrinth

„Das Labyrinth ist ein Rätsel. Ein Spiegel der Seele, ein Gleichnis des Lebens. Wer ein Labyrinth begeht, macht sich auf einen Weg der Wandlung.“ So beschreibt der Tiroler Lehrer und Fotograf Gernot Candolini das Symbol des Labyrinths. Der Innsbrucker beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Labyrinth und hat sein Interesse zum Beruf gemacht. Er ist heute Labyrinthebauer. Vermehrt bekommt er Aufträge von Klöstern, in deren Gärten Labyrinthe anzulegen – nicht zuletzt deshalb, weil das Gehen im Labyrinth für viele Gläubige wieder als wichtige geistliche Übung entdeckt worden ist.

Das Labyrinth ist eines der ältesten Symbole der Menschheit. Vor zirka 5000 Jahren ist es im Mittelmeerraum entstanden. Bald war es als Symbol in verschiedenen Kulturkreisen bekannt. Das älteste Labyrinth ist das klassische oder kretische, das aus sieben wegen besteht, die um die Mitte kreisen, ehe sie diese erreichen. Im Christentum spielte die Form des Labyrinths vor allem in der Gotik eine besondere Rolle. In vielen Kathedralen – vor allem in den französischen - wurde es als Bodenmuster gelegt. Alle Wege wurden an der Kreuzform ausgerichtet und sie zu gehen, betrachtete man als Einkehr, als Meditationshilfe für sein Leben. Manchmal galt der Gang durch das Labyrinth sogar als Ersatz für eine Pilgerreise. Und in den Kirchenbüchern der französischen Kathedralen lassen sich sogar Berichte von liturgischen Ostertänzen finden. Dabei tanzte der Bischof mit dem Dekan im Dreischritt durch die Gänge des Labyrinths und sie warfen sich – als Zeichen der aufgehenden Ostersonne – einen goldgelben Ball zu. Der gesamte Klerus und die ganze Gemeinde folgten schließlich und begaben sich in das Labyrinth. Heute erfreut sich das Labyrinth als Hilfe, Gott näher zu kommen, wieder wachsender Beliebtheit.

Der Film porträtiert den Tiroler Labyrinthebauer und begleitet ihn ins oberösterreichische Hofkirchen. Die Gemeinde hat sich als „Labyrinth-Gemeinde“ einen Namen gemacht. Angeregt durch ein Buch von Gernot Candolini haben sich die Bewohner und Bewohnerinnen entschlossen, im Rahmen eines Gemeindeentwicklungsprozesses, ihre Gemeinde als „Labyrinth-Gemeinde“ zu etablieren. Zwei Labyrinthe wurden im Ort bereits angelegt, ein drittes ist gerade im Entstehen.

Der Pädagoge Gernot Candolini setzt seine Begeisterung für Labyrinthe auch in seiner pädagogischen Arbeit – z.B. in der Jugendarbeit – ein. „Das Gehen im Labyrinth eröffnet den Jugendlichen eine neue Möglichkeit des Lernens, vor allem des Sich-Kennenlernens“, ist der Candolini überzeugt. Im Stift Seitenstetten, wo im Stiftsgarten eine so genanntes „Rosenkranzlabyrinth“ angelegt wurde, geht der Labyrinthebauer mit Schülern und Schülerinnen den Weg des Labyrinths und erzählt über Herkunft und Bedeutung des Symbols. Dass das Gehen des Labyrinths auch zur eigenen Mitte führt – darüber schließlich berichtet auch der Abt des Benediktinerstifts Berthold Heigl.

 

 

Ein Film von Maria Magdalena Koller und Barbara Krenn