kreuz und quer

Dienstag, 13.11. 2007, 22.30 Uhr in ORF 2

 

"Zeit zu gehen" / "Sterben und Leben nach Buddha"

Einen Themenabend über Sterben in Würde präsentiert Doris Appel diesmal in „kreuz und quer“. Der Abend wird eröffnet mit Anita Natmeßnigs Dokumentation "Zeit zu gehen" über das Wiener CS Hospiz Rennweg, wo krebskranke Patientinnen und Patienten betreut werden, die nach menschlichem Ermessen nicht mehr geheilt werden können. Danach, um 23.25 Uhr, folgt "Sterben und Leben nach Buddha". Der Film von Michael Hudecek stellt das Mobile Hospiz der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft vor und zeigt, wie Buddhisten unterschiedlicher Traditionen über das Leben, das Sterben und den Tod denken und welche persönlichen Erfahrungen sie damit gemacht haben.

 

 

"Zeit zu gehen" – Ein Film von Anita Natmeßnig

Der Dokumentarfilm zeigt, was in unserer Gesellschaft zu den bestverdrängten Geheimnissen gehört: das Sterben. Nicht das dramatische Sterben wie im Krimi, sondern den persönlichen Alltag des individuellen Sterbens. Mit anderen Worten: ein Tabu. Denn über Sexualität darf man reden, Sexualität darf man zeigen - aber das Sterben und den Tod nur, wenn es eine Sensation ist. Doch wer stirbt schon als Sensation?

Sterben - ein Teil des Leben

Drei Monate lang nahmen Anita Natmeßnig und ihr Team am Alltag im CS Hospiz Rennweg teil. Mit Kamera und Ton waren sie Menschen nahe, die sich im Hospiz der Caritas Socialis auf den Abschied vom Leben vorbereiten. Die Regisseurin hat mit ihnen gesprochen – wie sie das Leben sehen, und wie sie den Tod sehen und was sie nach dem Tod erwarten. Im Unterschied zum Krankenhaus, in dem der Tod eine Bedrohung der ärztlichen Kunst darstellt, erwartet man im Hospiz den Tod in Gelassenheit – dank der weit fortgeschrittenen Palliativmedizin ist es möglich, Menschen Zeit zu gehen zu geben. Die unheilbar kranken Krebspatientinnen und -patienten, die im CS Hospiz Rennweg aufgenommen werden, können durch intensive ärztliche Zuwendung und Versorgung mit Schmerzmitteln und Linderung der Symptome, aber auch durch intensive Pflege und Betreuung ihre letzten Wochen, Tage und Stunden in Ruhe und in Würde durchleben. Anders als sonst in der Gesellschaft sieht man im Hospiz das Sterben und den Tod als Teil des Lebens an – so wie auch die Geburt, das Babyalter, die Pubertät, das Erwachsenendasein und das Altern zum Leben gehören. Menschen dürfen in Würde sterben – langsam das Leben loslassen, sich von ihren Verwandten verabschieden und vielleicht am Vorabend ihres Endes noch einmal in den Abendhimmel schauen oder ein ausgedehntes Bad in der Wanne genießen – oder auch noch eine Zigarette, den Cognac, was eben das Leben so bietet.

Fromm angesichts des Todes?

Es mag überraschen: Religion bleibt am Rande, so richtig fromm wird niemand angesichts des Todes. Doch die Szene, in der die eben verstorbene alte Dame im Meditationsraum des Hospizes von den beiden Schwestern würdig für den Abschied von den Verwandten hergerichtet wird, sagt viel aus über die stille Hoffnung der Lebenden auf einen gütigen Tod.

Schwächer werden

Der Film von Anita Natmeßnig zeigt eine Gegenwelt: Hier geht es nicht darum, festzuhalten, sondern loszulassen; nicht darum, schneller und stärker zu sein, sondern darum, schwächer zu werden: Lauter Tabus in einer auf Effizienz und Produktivität versessenen Gesellschaft. Das Sterben wird mit großem Respekt gezeigt – und mit Einwilligung aller Protagonisten. Dass es überhaupt eine Dreherlaubnis von der Hospiz-Leitung gab – um die schon viele vergeblich angesucht hatten –, lag an dem Vertrauen, das die Leitung der Filmemacherin entgegenbrachte. Denn Anita Natmeßnig hatte im Rahmen ihrer Psychotherapieausbildung ein mehrmonatiges Praktikum im Hospiz absolviert.

Alltag und Geheimnis

Nicht Sterben als Sensation, sondern Sterben als Alltag – und als Geheimnis, als geheimnisvoller Übergang – wohin? Das zeigt der Film „Zeit zu gehen“ – und nicht ohne Witz, denn auch im Angesicht des eigenen Sterbens bleibt echten Wienern – wie z. B. dem Herrn Moser oder der Frau Reisinger – der Humor nicht weg.

 

 

 

"Sterben und Leben nach Buddha" - Ein Film von Michael Hudecek

"Nach der Lehre des Buddha beginnt das Sterben mit der Geburt - Die Entstehung ist der Anfang der Vergänglichkeit", berichtet Banthe Seelawansa, der aus Sri Lanka stammende Leiter der Theravada Schule in Wien.

„Lebens- und Sterbebegleitung“

Buddhas Weg verbindet meditative Einsicht in die Wirklichkeit und großes Mitgefühl mit allen Wesen. Ein Ausdruck dafür ist der sogenannte „Engagierte Buddhismus“. In Österreich haben Buddhistinnen und Buddhisten eine mobile Hospizeinrichtung zur Begleitung von Menschen in ihrer letzten Lebensphase gegründet. Diese „Lebens- und Sterbebegleitung“ ist in der buddhistischen Tradition und Lehre verankert. Liebe, Mitgefühl, Weisheit und Achtsamkeit sind Grundlagen buddhistischer Praxis. Sie dienen als Basis dafür, Menschen, die am Ende ihres Lebens stehen, ein würdevolles Dasein und bestmögliche Lebensqualität auf physischer, psychischer, sozialer und spiritueller Ebene zu ermöglichen.

"Jeder ist für sich selbst verantwortlich"

Dr. Fridolin Stögermayer ist Urologe und Onkologe im Hanusch-Krankenhaus in Wien: „Sterbende Menschen können den Hinterbliebenen unglaubliche Kraft fürs Leben geben“, meint Dr. Stögermayer, selbst praktizierender Buddhist und Schüler von Lama Khenpo Chödrag Rinpoche. Der tibetische Mönch lebt seit 2000 in Wien und leitet die Karma Kagyü Sangha: „Aus buddhistischer Sicht ist es nicht so, dass einem die Sünden vergeben werden. Jeder ist für sich selbst verantwortlich - es ist die Kraft der Reue, die in sich eine reinigende Wirkung hat."

"Ein Weg, das Leiden zu fühlen"

Seit 2007 bietet das "Mobile Hospiz der ÖBR - Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft" auch Seminare zur Sterbebegleitung an. Eine der Referentinnen ist Dr. Sathya Bernhard bin Saif. Sie praktiziert tibetische Medizin in Wien und begleitet immer wieder Menschen durch den Prozess des Sterbens: "Der Buddhismus bietet einen Weg, das Leiden zu fühlen, aber aus dem Leiden durch die Erkenntnis auch die freudvolle Erfahrung zu machen." Ihr familiärer Hintergrund richtete ihre Aufmerksamkeit früh auf das Wesen des Heilens. Ihre Großmutter ist Ayurvedaärztin, ihr Bruder Abt eines buddhistischen Klosters in Ulan-Bator in der Mongolischen Republik. Die Mutter stammt aus Südindien, der Vater aus Persien. In diesem Film erzählt Sathya, wie sie ihren Vater in seinem Sterbeprozess begleitet und dabei sehr berührende Erfahrungen gemacht hat.

Tod und Wiedergeburt

Genro Seiun Koudela ist Zenmönch und Leiter des Bodhidharma Zendo in Wien. Zum Thema Sterben und Tod hat er u. a. Folgendes zu sagen: "Tod ist immer da, aber auch Wiedergeburt. Jeder Moment ist ein Tod und eine Wiedergeburt - und in Wirklichkeit gibt es weder das eine noch das andere - aber das ist schwer zu erklären."

 

Der Film von Michael Hudecek zeigt, wie Buddhisten verschiedener Traditionen über das Leben, das Sterben und den Tod denken und welche persönlichen Erfahrungen sie diesbezüglich gemacht haben.

 

 

 
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