„Abraham a
Sancta Clara saß auf einem Abhang.“ Mit diesem dummen Satz wurde ich
seinerzeit an der Universität im Fach Sprecherziehung gequält – man
konnte die kurzen und langen a darin so schön hörbar machen. Und es
hilft alles nichts: Wenn ich in der Wiener Innenstadt in der Nähe
der Minoritenkirche in die kleine Abraham a Sancta Clara-Gasse
einbiege, ist er wieder da, der blöde Satz: „Abraham a Sancta Clara
saß auf einem Abhang.“ Aber vielleicht ist der Satz ja gar nicht so
blöd, wenn ich ihn nicht vergessen kann. Einen Satz, in dem kein
anderer Vokal vorkommt als a, den muss man erst einmal zusammen
bringen. Und er arbeitet jedenfalls mit einem Mittel, das auch dem
barocken Prediger Abraham a Sancta Clara nicht fremd war: Mit dem
Klang. Sonst hat der Satz freilich nicht viel mit ihm zu tun. Denn
Abraham a Sancta Clara ist wohl öfter auf der Kanzel gestanden als
auf einem Abhang gesessen. Und wenn er schon gesessen ist, dann eher
am Schreibtisch, denn er hat ziemlich viel geschrieben.
Darüber
hinaus weiß man eigentlich gar nicht so viel von ihm: Geboren mit
dem Namen Johann Ulrich Megerle 1644 als achtes von zehn Kindern im
schwäbischen Kreenheinstetten, konnte der begabte Junge die
Schlossschule in Meßkirch besuchen; dazu brauchte es allerdings die
Zustimmung des Fürsten, denn sein Vater war Leibeigener. Nach dem
Besuch des Jesuitengymnasiums in Ingolstadt und des
Benediktinergymnasiums in Salzburg trat er 1662 im Kloster Maria
Brunn bei Wien in den Orden der Augustiner-Barfüßer ein – so kam er
zu seinem Namen Abraham a Sancta Clara. Nach Studien in Wien, Prag
und Ferrara – wie international war doch die barocke Welt – wird er
Wallfahrtsprediger in der Nähe von Augsburg, aber schon 1672 nach
Wien zurückberufen, wo ihn Kaiser Leopold 1677 zum Hofprediger
ernennt. Zwei Jahre danach, 1679, wütete hier elf Monate lang die
Pest. Abraham lebte fünf Monate unter Quarantäne, wie man heute
sagen würde, und er wurde in dieser Zeit zum Schriftsteller. Seine
Schrift „Merks Wien“ machte ihn bis heute berühmt. So berühmt, dass
sich sein Name verselbständigte – etwa in dem Satz „Abraham a Sancta
Clara saß auf einem Abhang.“
Buchtipp:
Abraham a
Sancta Clara: „Hui und Pfui der Welt. Predigten und Schriften“.
Nachwort von Franz Schuh. Manesse Verlag, Zürich 2009 (=Manesse
Bibliothek der Weltliteratur)