News 15. 07. 2005

Theologin Keller: Die verlorene Chaostheorie der Schöpfung

Über die verlorene Chaostheorie der Schöpfung referierte die Theologin Catherine Keller bei der Ökumenischen Sommerakademie 2005 in Kremsmünster.

Keller ist Professorin für Konstruktive Theologie an den Theological and Graduate Schools der Drew University in New Jersey. Ihr Arbeitsbereich beschäftigt sich vor allem mit der Rekonstruktion biblischer christlicher Theologie.

Die Chaostheorie und die Bibel

Die Methodistin Keller verwies unter anderem auf die Schöpfungsgeschichte der Bibel. Diese enthalte ein Bild, das ein Schlüssel für die Komplexitätstheorie sei: Die Metapher der „Grenze des Chaos“ und eine dunkle Metapher aus Genesis 1.2 – vom „Antlitz der Tiefe“. Die dort geschilderte „wassererfüllte Tiefe“ sei das alte hebräische Symbol des Urchaos. Keller selbst habe die Chaostheorie in ihre theologischen Betrachtungen miteinbezogen. Das habe – gleich einer Linse – die theologischen Perspektiven zu einem Brennpunkt gebracht. Als Pionier auf dem Gebiet der Chaos- und Komplexitätstheorie nannte Keller den Biologen Stuart Kauffmann. Er habe sich in der Theoriebildung mit der kaum beachteten Grenze zwischen Biologie und Physik beschäftigt und festgestellt, dass wir unsere Existenz nicht so einfach ableiten können, weder von der Biologie, noch von der Physik.

Keine Schöpfung aus dem Nichts

„Man kann aber Geschichten erzählen und Metaphern finden“, sagte Keller und zitierte Kauffmann: „Das Universum in seinem beharrlichen Werden ist reicher als all unsere Träume.“ Kauffmann habe darauf bestanden, dass „zwei Tatsachen wahr sind“: 1. Seit dem Urknall ist unser Universum enorm komplex geworden. 2. Wir haben keine Theorie, warum das Universum komplex geworden ist. Der kleinste gemeinsame Nenner der Bibelexegeten sei, dass es keine Schöpfung aus dem Nichts gibt, wenn man dem biblischen Text folgt. Das Erste ist laut Keller das Tohuwabohu, der chaotische Anfang der Urwasser, aus dem die Ordnung der Schöpfung entstehe. Keller schlägt vor: „Schöpfung aus der Tiefe (hebräisch Tehom), statt Schöpfung aus dem Nichts.“

Geist und Chaos

Die göttliche Schöpfungstätigkeit als Ruf könne nicht als einseitige Macht verstanden werden. Es gehe um einen kosmischen Kunstvorgang, voller Wechselbeziehungen und Überraschungen. Das ergebe das biblische Bild der göttlichen Ruach, der göttlichen Geistin, die über der Tiefe der Urwasser (Tehom) schwebt. Diese Gottheit arbeite nicht mit Kontrolle sondern mit den Möglichkeiten einer Verlockung. Keller: „Es geht nicht um kausale Verursachung, sondern um wechselseitige Abhängigkeit.“ Eine kreativere Sicht aufs Chaos könne auch hilfreich sein in den vielfältigen Formen von Chaos, die uns in unseren intimsten Beziehungen, aber auch in den sozialen und ökologischen Bereichen und den tiefsten spirituellen Ebenen unseres Lebens immer wieder überfallen würden. „Es ist eine Einladung, im Geist und der Gnade Gottes mitschöpferisch zu leben in unserem Leib, in unseren Gemeinschaften und Welten“, sagte Keller.

 

 

 

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