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News 15. 07.
2005 |
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Philosoph Küppers: Wir müssen wissen, wir werden wissenDer Naturphilosoph Bernd-Olaf-Küppers sprach bei der Ökumenischen Sommerakademie 2005 in Kremsmünster über die Grenzen der Wissenschaft und den Anspruch des Begriffes „Wahrheit“.Zu Beginn seines Vortrages zitierte Küppers den Physiologen Emil du Bois-Reymond: „Die Geschichte der Naturwissenschaft ist die eigentliche Geschichte der Menschheit.“ Du Bois war ein entschiedener Anhänger des mechanistischen Naturbildes. Jeder Naturvorgang müsse sich in die Mechanik der Atome auflösen lassen, so du Bois. "Welträtsel"Sieben „Welträtsel“ hielt du Bois jedoch für unlösbar: 1. Das Wesen von Materie und Kraft. 2. Den Ursprung der Bewegung. 3. Die Entstehung des Lebens. 4. Die anscheinend absichtsvolle, zweckmäßige Einrichtung der Natur. 5. Das Entstehen der einfachen Sinnesempfindung. 6. Das vernünftige Denken und den Ursprung der damit verbundenen Sprache und 7. Die Frage nach der Willensfreiheit. Werden wir wissen?Du Bois’ berühmte Worte „Ignoramus et Ignorabimus“ („Wir wissen es nicht und wir werden es nicht wissen“) konterte der Göttinger Mathematiker David Hilber mit den Worten „Wir müssen wissen, wir werden wissen.“ Küppers: „Heute wissen wir, dass es auch unlösbare Probleme gibt.“ Als Beispiel nannte der Wissenschafter die vergeblichen Versuche ein „Perpetuum mobile“ zu bauen. Kein Punkt außerhalb unseres DenkensKüppers stimmte seinem Kollegen Walter Thirring zu: „Die Aufgabe der Wissenschaft ist es, die Grenzen zu erkennen und sofern möglich zu verschieben.“ Dazu müsse man die Grenzen aber kennen, sagte Küppers. Dem Mathematiker Kurt Gödel sei das gelungen: Er habe die Selbstbezüglichkeit des Denkens als Grenze erkannt: „Wir haben keinen archimedischen Punkt außerhalb unseres Denkens, der eine Letztbegründung unseres Denkens erlauben würde.“ Küppers, Gödel zitierend: „Die Wahrheit einer Aussage ist etwas Grundlegenderes und Umfassenderes als deren Beweisbarkeit.“ Neben den „Erkenntnistheoretischen Grenzen“ gibt es laut Gödel auch die „Grenzen der Determinismus“ (Quantentheorie, die Rolle des Zufalls), die „Grenzen der Berechenbarkeit“ (Chaostheorie, Verknüpfung von Ursache und Wirkung) und „Fließende Grenzen“ (Lebensbegriff, Grenzen zwischen den Wahrheitswerten). Gefährliche GrenzenZwei weitere Grenzen seien sowohl ärgerlich als auch gefährlich: Küppers sprach von „Ärgerlichen Grenzen“, die Pseudogrenzen seien. „Es ist einfach nicht richtig, dass der moderne Naturwissenschafter in allen Dingen dieser Welt nur einen Haufen von Atomen oder Molekülen sieht.“ Küppers: „Kein halbwegs normaler Wissenschafter wird in einer schönen Frau lediglich einen Haufen von Atomen erblicken.“ Die zweite „ärgerliche und gefährliche Grenze“ ist laut Küppers die „Metatheoretische (metaphysische) Grenze. Sie wirke sich deshalb negativ auf die Wissenschaft aus, weil sie den wissenschaftlichen Fortschritt normiere. Hier sei vor allem von Normen die Rede, die problematisch seien, weil sie sich auf metaphysische Seinsgründe und damit auf apriorisch gültige Wahrheiten berufe. Besonders wichtig sei die Frage nach der Ethik der Wissenschaft. Küppers: „Kommt die Ethik vor den Wissenschaften, oder kommt sie – wie ich meine – nach den Wissenschaften?“ Nur vorläufige WahrheitenMan müsse sich wundern, dass die Physik überhaupt noch auf die Wirklichkeit passe. Küppers: „Die Wissenschaft verwendet Idealisierungen, die es so nicht gibt.“ So bleibe Wahrheit letztlich als „regulative Idee“ zurück. Diese sei aber gleichwohl unverzichtbar. Denn alle Naturwissenschafter würden mit einem hypothetischen Wahrheitsbegriff arbeiten. „Absolute Wahrheit, letzte Gewissheit, gibt es nicht. Die heutige Wahrheit, ist nur eine vorläufige Wahrheit.“ Darwins Evolutionstheorie müsse auch im unbelebten Bereich angenommen werden. Das statistische Problem der Lebensentstehung löse sich damit auf. „Es muss ja Baupläne geben, die miteinander verwandt sind.“ Küppers: „Wir müssen immer mehr wissen, um unser Wissen zu kontrollieren.“ Hilberts Maxime gelte noch immer: „Wir müssen wissen, wir werden wissen.“
Bernd-Olaf Küppers ist Professor für Naturphilosophie an der Friedrich Schiller-Universität Jena und Mitglied der Vatican-Research-Group.
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