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News 15. 07.
2005 |
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Philosoph Meyer-Abich über den "Primat der Ethik vor der Wissenschaft"„Dass die Wissenschaft die Ordnung der Welt erkennt, ist ein Vorurteil“, betonte der Naturphilosoph Klaus Michael Meyer-Abich bei der Ökumenischen Sommerakademie 2005 in Kremsmünster.In Wahrheit werde jede Wissenschaft von Erkenntnisidealen, Denkstilen oder Paradigmen geleitet. Die Wissenschaft sei von den Zielen abhängig. Je nach Ziel würden die Forscher zu anderen Ergebnissen kommen. Strittig sei aber welche Erkenntnisideale oder Paradigmen in einer bestimmten historischen Situation „richtig“ seien. Je nachdem welche Haltungen und Ziele eine Gesellschaft habe, könne ein bestimmtes Wissen mehr oder weniger nützlich sein, um den jeweils gesuchten Weg zu finden. Nicht "Umwelt", sondern "Mitwelt"Die herrschende Naturwissenschaft setze vor allem den Menschen in den Mittelpunkt. Meyer-Abich: „Die Wissenschaft dient der industriellen Wirtschaft dazu, die außermenschliche Natur als einen Haufen von ‚Ressourcen’ zur Erfüllung von Konsumbedürfnissen zu nutzen.“ Hinter der heutigen Wissenschaft stehe ein Welt- und Menschenbild, nachdem die übrige Welt nur für den Menschen da sei. Statt dieses „anthropozentrischen“ Welt- und Menschenbildes könnten sich Wissenschaft und Wirtschaft von einem „physiozentrischen“ Bild leiten lassen. Die übrige Welt werde dann nicht bloß als „Umwelt“ sondern als „Mitwelt“ gesehen. In der Wissenschaft wäre dann nur wissenswert, was sich in der „Mitwelt“ zeigt. Die religiösen Vorstellungen großer Physiker„Das ist zwar nicht die herrschende Wissenschaft, aber sie könnte es werden“, stellte Meyer-Abich fest. Will man zwischen diesen entgegen gesetzten Erkenntnisidealen unterscheiden, so hilft laut Meyer-Abich die Einsicht, dass „beide von religiösen Wurzeln“ abhängen. Das anthropozentrische Weltbild stehe in der Tradition des Alten Testaments. Das physiozentrische Weltbild folge hingegen eher dem Neuen Testament. Laut Meyer Abich hatten die großen Physiker von den religiösen Voraussetzungen ihres Denkens oft ein sehr klares Bewusstsein. Max Planck und Albert Einstein hätten alttestamentlich gedacht und sich deshalb auch mit der Quantentheorie nicht zufrieden gegeben. Niels Bohr und Werner Heisenberg hätten pantheistisch gedacht: Wir erkennen die Natur, von der wir selbst ein Teil sind. Die Wissenschaft sei nicht so wissenschaftlich wie ihre Ergebnisse, sagte Meyer-Abich. Denn die wissenschaftlichen Fragen, welche durch die Ergebnisse beantwortet werden, stehen im religiösen Kontext. Die Wissenschaft handle von „Tat-Sachen“, nicht einfach von „Sachen“. Gott ist Christus Welt gewordenSchließlich erläuterte Meyer-Abich auch seinen eigenen Glauben: „Der außerirdische Gott ist nicht mein Gott. Ein allmächtiges Wesen, welches dem Elend auf der Welt untätig zusieht, ist für mich nicht glaubwürdig. Ich glaube aber an Gott, wenn er in diesem Elend auch unter sich selbst leidet. Unter den Konzentrationslagern oder was sonst alles passiert auf der Welt.“ Meyer-Abich glaube, dass die Welt in Christus geschaffen sei und immer wieder neu geschaffen werde. Gott sei in Christus Welt geworden und darin liege die apokalyptische Hoffnung auf einen neuen Himmel und eine neue Erde. Meyer-Abich: „Dieser Glaube, ist ebenso religiös und ebenso wenig beweisbar, wie der andere Schöpfungsglaube der 7-Tage-Kreationisten.“ Ziele statt OrdnungenMit der Wissenschaft habe es Meyer-Abich aber leichter als die Kreationisten: „Weil ich die Ordnung der Natur und ihre Geschichte für die Ordnung und Geschichte Gottes halte. Wie weit unsere Wissenschaft diese Ordnung Gottes richtig beschreibt, ist eine offene Frage.“ Meyer-Abich wäre es lieber, die Wissenschaft würde Ziele statt Ordnungen beschreiben. Am Ende seines Vortrages zitierte Meyer-Abich die „Vier Qualitäten der Herrschaft“ nach Lao Tse: „Der beste Herrscher ist der, den wir gar nicht merken. Den zweitbesten Herrscher liebt man. Den drittbesten fürchtet man. Den viertbesten verachtet man.“ Meyer-Abich: „Mir scheint, dass Gottes Schöpfungsregie von der ersten Art ist. Wir merken sie gar nicht und glauben deshalb, die Regie führen wir.“
Klaus Michael Meyer-Abich ist emeritierter Professor für Naturphilosophie an der Universität Essen.
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