News 29. 05. 2012

„Vatileaks“: Anklage gegen Kammerdiener des Papstes

Der Kammerdiener des Papstes sitzt im Vatikan in Untersuchungshaft. Paolo Gabriele soll vertrauliche Dokumente aus den Gemächern von Benedikt XVI. gestohlen haben.

Dem 46 Jahre alten Familienvater wird schwerer Diebstahl vorgeworfen. Seine Anwälte sagten den vatikanischen Behörden am Montag volle Kooperation zu. „Paolo wird sobald wie möglich alle Fragen beantworten und mit den Ermittlern zusammenarbeiten, damit die Wahrheit ans Licht kommt“, sagte einer der beiden Verteidiger, Carlo Fusco, nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa.

Aussage mit Spannung erwartet

Die Aussage wird mit Spannung erwartet. Denn in den Medien wird über mögliche Mittäter Gabrieles spekuliert. Nach einem Bericht der rechtsliberalen Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Montag) könnte auch ein italienischer Kardinal unter Verdacht geraten sein. Auch die Nachrichtenagentur Ansa schreibt, eine Beteiligung hoher Würdenträger sei nicht ausgeschlossen. Doch alle Angaben dazu bleiben vage. Berichte, dass neue Festnahmen bevorstünden, dementierte Vatikansprecher Federico Lombardi. Es gebe keine weiteren Ermittlungen, sagte er am Montag.

„Vatileaks“

In den vergangenen Monaten waren aus dem Vatikan mehrfach Enthüllungen an die Medien durchgesickert. Unter anderem sind geheime Schreiben in dem gerade erschienenen Buch „Sua Santità“ (Seine Heiligkeit) veröffentlicht. Der Vatikan hatte die Publikation vertraulicher Unterlagen selbst als „Vatileaks“ bezeichnet und so auf die Enthüllungsplattform Wikileaks angespielt.

Undichte Stellen im engsten Kreis

Auf Gabrieles Spur kamen die Ermittler laut Ansa, weil unter den veröffentlichten Dokumenten auch eines im Zusammenhang mit der Joseph Ratzinger-Papst-Benedikt-XVI.-Stiftung war. Dieses Schriftstück sollte nie wie die anderen in den Archiven des Heiligen Stuhl landen, sondern konnte nur vom Schreibtisch des Papstes oder seines Privatsekretärs Georg Gänswein stammen. Deshalb müsse der Täter einer der wenigen Menschen sein, die Zugang zur päpstlichen Wohnung haben. Gabriele gehörte neben den Privatsekretären Gänswein und Alfred Xuereb sowie vier Ordensfrauen zu den nächsten Mitarbeitern des Kirchenoberhaupts.

Papst: „Haus auf Fels gebaut“

Der Papst sei schmerzlich betroffen, sagte Lombardi am Montag. Nun müsse mit Respekt gegenüber den betroffenen Personen der Fall aufgeklärt werden. Am Wochenende hatte der Papst aus dem Evangelium zitiert: „Das Haus, das auf Fels gebaut ist, stürzt nicht ein.“ Dies wurde in den Medien auf den Skandal bezogen.

 

Da Gabriele im Vatikan lebe, sei auch die Gerichtsbarkeit des Vatikan zuständig, sagte Sprecher Lombardi am Samstag. Das Verfahren führt Untersuchungsrichter Piero Antonio Bonnet. In den Medien wird bereits über die Möglichkeit einer hohen Haftstrafe spekuliert.

Familie Gabriele sehr beliebt

Gabrieles Festnahme habe die Menschen im Vatikan überrascht, sagte Lombardi. „Im Vatikan kannten ihn alle, natürlich gibt es Erstaunen und Schmerz und großes Mitgefühl mit seiner Familie, die sehr beliebt ist“, betonte der Vatikansprecher. Er hoffe, dass die Familie diese Prüfung überstehen könne. Am Montag habe Gabriele neben seinen Anwälten auch seine Frau sehen dürfen.

Kein Ende der Affären

Der Autor des Papst-Buches „Sua Santità“, der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi, kritisierte die Ermittlungen innerhalb der Vatikanmauern und verwies auf die Pressefreiheit. „Die Dokumente sind ein Teil des journalistischen Geistes“, sagte er zum Vorwurf, illegale Quellen zu nutzen. In den Dokumenten ging es unter anderem um Interna der Vatikanbank IOR. Erst am Freitag war deren Chef Ettore Gotti Tedeschi nach einem Misstrauensvotum zurückgetreten. Ihm wurde unter anderem schlechte Amtsführung vorgeworfen. Lombardi sagte am Montag, zwischen beiden Fällen gebe es keinen Zusammenhang.

Italienische Medien berichten über Komplott

Die römische Tageszeitung „La Repubblica“ veröffentlichte am Montag ein Interview mit einem der angeblichen Hintermänner Gabrieles. „Hinter dem Skandal stecken mehrere Personen. Sie wollen den Schmutz in der Kirche ans Licht bringen“, sagte die Person, die anonym bleiben wollte. Hintergrund des Skandals sei eine Kampagne in der Kurie gegen den vatikanischen Staatssekretär, Kardinal Tarcisio Bertone. Die von italienischen Medien kolportierte Nachricht, dass auch gegen einen der Kardinäle ermittelt werde, wies Vatikansprecher Federico Lombardi am Montag jedoch zurück. Ebenso falsch seien Behauptungen, gegen eine Frau liefen Ermittlungen im Zusammenhang mit „Vatileaks“.

(DPA/APA)

 

 

 

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