Movimenti: Frischzellenkur für
die Kirche?
Unter dem Begriff "Movimenti" wird eine Vielzahl
verschiedenster Bewegungen innerhalb der römisch-katholischen Kirche
zusammengefasst. Sie haben auf jeden Fall drei Dinge gemeinsam: Sie bringen
tatsächlich frischen Wind in die Kirche, sie werden zur Zeit nach Kräften
gefördert – und sie sind allesamt nicht unumstritten.
In Rom stehen die "Movimenti" hoch im Kurs – ob nun Fokolare,
diverse charismatische Gruppen, die "Cursillo"-Bewegung oder der
"Neokatechumenale Weg". Sie zeichnen sich vor allem durch
unbedingte Treue zum Papst aus. Mit ihrer Begeisterung füllen sie die
jährlichen Weltjugendtreffen – und können dadurch sogar den einen oder
anderen Skeptiker überzeugen.
Weltfremde Frömmigkeit ?
Ihre Rufe "John Paul II – we love you" oder "Johannes
Paul der Zweite – wir sind auf Deiner Seite" sind Ausdruck dieser
Begeisterung – gleichzeitig aber auch Anlass zur Häme. Kritiker werfen
den Anhängern der "Movimenti" vielfach eine allzu weltfremde und
kritiklose Frömmigkeit vor.
Bunte Vielfalt
Viele übersehen dabei aber die bunte Vielfalt dieser Gruppen. Auch wenn
oft vom mangelnden sozialen oder gesellschaftspolitischen Engagement der
"Movimenti" die Rede ist, so gilt diese sicher nicht für alle
Gruppen in ihrer ganzen bunten Bandbreite.
Stütze der Neu-Evangelisierung
Johannes Paul II. setzte bei seiner Neu-Evangelisierung ganz auf diese
Bewegungen. Kirchen-Insider meinen, in Rom würden Bischöfe mittlerweile
vor allem nach einem Kriterium bewertet: Ob sie die "Movimenti" in
ihren Diözesen auch entsprechend fördern. Davon hängen – angeblich –
auch etwaige Beförderungen ab.
Wien als Musterbeispiel
In der Erzdiözese Wien werden die "Movimenti" jedenfalls nach
Kräften gefördert. Kardinal Christoph Schönborn nennt die "Movimenti"
gern eine "Frischzellenkur" für die Kirche. Der besonders
umstrittene "Neokatechumenale Weg" bekam vor einigen Jahren sogar
ein eigenes Priesterseminar mit dem Namen "Redemptoris Mater".
Kritik am Neokatechumenat
Kritik wird beim "Neokatechumenat" schon am theologischen
Ansatz geübt. "Katechumenat" bedeutet eigentlich die Vorbereitung
auf die Taufe. Eine "Neo"- (also ein neuerliches) Katechumenat an
getauften Christen erinnert Kritiker allzu sehr an eine neuerliche Taufe.
Spaltung der Gemeinden
In der Praxis ist vor allem der Exklusivitätsanspruch der
Neokatechumenalen ein Problem. An ihren Gottesdiensten dürfen andere gar
nicht erst teilnehmen – was zur faktischen Spaltung der Gemeinden führen
kann.
Fokolare: Gegründet 1943
Die "Fokolar-Bewegung" – um ein anderes Beispiel zu nennen
– hat ein gänzlich anderes Erscheinungsbild und wird in der
Öffentlichkeit auch weit weniger kritisch betrachtet. Chiara Lubich
gründete 1943 gemeinsam mit einigen Freundinnen diese Bewegung, die später
vom Volksmund den Namen "Focolare" (italienisch: Herdfeuer) bekam.
Mehr als sieben Millionen Anhänger
Mittlerweile ist die "Focolar-Bewegung" in 182 Nationen
vertreten, sie zählt 100.000 Mitglieder im engeren Sinn, zwei Millionen
Menschen sind ihr im weiteren Sinn verbunden. Die Bewegung ist geprägt von
der Überzeugung, dass im gelebten Evangelium die Lösung der persönlichen
und gesellschaftlichen Probleme zu finden ist. Zentrales Anliegen ist es,
die Bereiche des kirchlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens
durch die Nächstenliebe im Geist des Evangeliums zu erneuern.
Zahlreiche Auszeichnungen
Für ihr Wirken erhielt Chiara Lubich zahlreiche höchste Auszeichnungen.
Kritiker sprechen allerdings von einem gewissen "Personenkult"
rund um die Gründerin. An der "Fokolar-Bewegung" zeigt sich aber
auch, dass die "Movimenti" durchaus beträchtliche Geldmittel
mobilisieren können: In Zeiten des großen Sterbens der Bildungshäuser
eröffneten sie 1995 in Wien ein neues – im 23. Bezirk "Am
Spiegeln".
Autoritäre Strukturen
Besonders radikale Kritiker stellen manche "Movimenti" sogar in
die Nähe von gefährlichen Sekten. Anzeichen dafür seien autoritäre
Strukturen und ein gewisser Absolutheitsanspruch für den eigenen Weg.
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